Nachgefragt
: Bilanz der Reform

■ Reformvater Klafki würde Schule heute stellenweise radikaler reformieren

Reformpapst Prof. Dr. Wolfgang Klafki, ehemals Mitglied der Schulreformkommission, die Grundlagen zum neuen Schulgesetz erarbeitete, sprach in Bremen zum „Zauberwort Autonomie“ (siehe links). In der taz bewertete er jetzt einige Reformgedanken neu.

taz: Herr Klafki, war Ihre Arbeit für Bremen erfolgreich?

Klafki: Insofern ja, als es uns gelungen ist, die Behördenspitze dazu zu bewegen, Kompetenzen, beispielsweise über das Budget, an die Schulen abzugeben und ihnen auch ein eigenes Profil zuzugestehen. In der Diskussion am Mittwoch wurde jedoch deutlich, daß die Kollegen aus der GEW und von den Grünen mit der Verwirklichung nicht zufrieden sind. Aber ich meine, die Kritik ist vielleicht ein bißchen überzogen, daß all die schönen Möglichkeiten durch die Erhöhung der Pflichtstundenzahlen der Lehrer und die Erhöhung der Klassenstärken unterlaufen würden.

Die Behörde wurde mehrmals scharf kritisiert – haben Sie dieses Nadelöhr der Reform falsch eingeschätzt?

Reformen können ohne materielle Ausstattung nicht funktionieren. Mehr Verantwortung und Gestaltung in den Schulen setzt voraus, daß es Zeit für viele Gespräche in den Kollegien geben muß. Wenn ein Schulgesetz empfiehlt, „ergreift Initiative“, und die Politik zugleich Mittel kürzt, ist der Ärger verständlich. Ich finde es ein bißchen kurzsichtig, die Kritik vor allem an die Behörde zu richten, als stünde die Bildungssenatorin nicht unter Sparzwang.

Seit Ihren Reformvorschlägen wurden in der Bildungspolitik reihenweise heilige Kühe geschlachtet – Lehrerfortbildung in den Ferien, Präsenzzeiten etc. Müssen sich Lehrer dieser Entwicklung nicht öffnen?

Die Kollegen machen mit ihren Verweigerungsdrohungen ja glücklicherweise nicht immer ernst. Das zeigt auch der Einsatz für den Erhalt von Schulstandorten wie Holterfeld und Huckelriede, wo sich Hunderte von Schülern, Eltern und Lehrern gegen die Auflösung ihrer beliebten Schulen wehren. Überalterte Kollegien oder Kollegien, die viel Kraft in neue Initiativen gesteckt haben, reagieren natürlich empfindlich darauf, wenn die Behörde eine Schließung verfügt. Sowas steht natürlich auch im Widerspruch zur Absicht des neuen Schulgesetzes. Da faßt man sich an den Kopf und fragt, wie kann das Parlament die Senatorin zu solchen Entscheidungen zwingen.

Umstritten ist auch die Personalautonomie.

Ja. Wir waren damit vorsichtig, weil schon die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen von oben nach unten der damaligen Bremer Schulpolitik völlig entgegenlief. Da hatte ja jahrzehntelang reine Anweisungspolitik geherrscht. Unsere Empfehlungen haben damit gebrochen. Heute wäre es konsequent, hier weiter zu gehen – aber man muß dabei die Gefahr bedenken, daß reformunwillige Kollegien ebensolche Kollegen einstellen könnten.

Widerspricht eigentlich ein allgemeiner Leistungstest wie „USUS“ den Reformideen?

Wenn er von oben verfügt wird und die Gefahr heraufbeschwört, daß Eigeninitiativen einzelner Schulen dadurch kaputt gemacht werden, ja. Auch wenn er inhaltlich gar nicht so unbrauchbar ist. Aber eine wichtiger Reformgedanke war der Dialog: Wenn Ihr etwas in Gang setzen wollt, redet mit den Betroffenen. Kommandiert nicht. Fragen: Eva Rhode