Ein paar gute Worte plus Hot dog

■ Die pittoresk-schwule Glitzerexotik schlägt bald um in die düstere Dramatik einer unbekannten Subkultur. Kutlug Atamans Film über die türkische Transenszene in Berlin

Wenn am Anfang ein geselliges Transentrio namens „Die Gastarbeiterinnen“ mit Kopftüchern, Tamburin und imposantem Glitzer-BH über die Bühne wippt und tänzelt, scheint die türkisch-schwule Exotik noch in Ordnung. Hier die von inspirierten Hobby-Tunten im „Salon Oriental“ im SO 36, dort die eines gemischten Publikums, das sich an den attraktiven Hüftschwüngen erfreut.

Nur ein paar Schritte weiter landet ein junger Mann, der den schwulen Thekenmacho Bili (Erdal Yildiz) in ebensolcher Manier anmacht, buchstäblich auf der Schnauze. Die schwule türkische Subkultur ist in Kutlug Atamans Film „Lola & Bilidikid“ erstmals Gegenstand eines Spielfilms. Gezeigt werden Orte, wo Widersprüche dem flüchtigen Betrachter eine schillernde Oberfläche zeigen. Nebenan spielen sich die gewöhnlichen Konflikte türkischer Jugendlicher der dritten Generation ab.

Die fatale Liebesgeschichte, die Lola (Gandi Mukli) mit Bili verbindet, zeigt dagegen, wie das Tabu Homosexualität beider Beziehung bedroht. Die spröde Transe Lola würde gern viel öfter ohne Perücke mit Bili Arm in Arm über die Straße gehen, nicht nur im Zwielicht der Bars. Dagegen träumt Bili von der gemeinsamen Zukunft in der Türkei, Lola müßte sich eben nur operieren lassen.

Subtil verbindet Atamans nächtliches Berlin-Drama voller optischer Einfälle und langsamen suggestiven Kamerafahrten Lolas Tragik mit der schüchternen Identitätssuche des 17jährigen Kreuzbergers Murat. Noch unter der Fuchtel seines despotischen Bruders und Familienoberhaupts Osman (Hasan Ali Mete), ahnt er nicht, daß sich hinter der zufälligen Erkenntnis, daß Lola sein Bruder ist, ein schreckliches Familiendrama verbirgt. Daß es Ataman gelingt, in den Wirrnissen und zahlreichen Nebenplots die dramaturgischen Fäden in der Hand zu behalten, ist erstaunlich. Das liegt nicht zuletzt am überzeugenden Spiel von Gandi Mukli und Baki Davrak, der Murat spielt. Zwar tauschen beide die Perücke, aber sie müssen sich jeder für sich den Herausforderungen stellen, sei es prügelnden Skins oder der traditionellen türkischen Sexualmoral.

Deutsch-türkischer Transenslang (mit Untertiteln) trifft hier auf die Neuköllner Currywurstbuden-Mutti, die für jeden Gestrauchelten, sei es der Gelegenheitsstricher vom Hermannplatz oder der frierender Murat, ein gutes Wort plus Hot dog übrig hat. Obwohl an zahlreichen Originalschauplätzen in Berlin gedreht wurde, bleibt die Stadt trotzdem fremd, absichtlich verfremdet. Eher beiläufig registriert man bestimmte Szene-Lokalitäten wie das Kumpelnest oder den Grünen Salon. Der städtische Exkurs reicht vom Straßenstrich Oranienburger Straße bis zum brutalen Finale einer Verfolgungsjagd in den Grunewald. Gudrun Holz

Heute, 21.15 Uhr, Royal Palast, morgen 15.30 Uhr Atelier am Zoo