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Den Stadtteil mit Taxe kurieren

Erste Ausschüttung der Kurtaxe St. Pauli: 5000 Mark für fünf soziale Projekte, „damit die Leute zu essen bekommen“  ■ Von Heike Dierbach

„Wir sind keine Behörde. Bei uns entscheiden anständige Menschen“, stellte „Kurdirektor“ Michael Herrmann vorneweg fest, „und deswegen wird ein Antrag auch nicht erst 500 Jahre geprüft.“ Knapp fünf Monate nach dem Start der Aktion „Kurtaxe St. Pauli“ verteilte das neunköpfige Direktorium gestern erstmalig die Gewinne an soziale Stadtteilinitiativen.

16 Anträge waren eingegangen, fünf Initiativen teilen sich nun insgesamt 5000 Mark: 1300 Mark gingen an die Kindertagesstätte Schepplerstraße für eine Grünfläche, 1000 Mark erhält die Initiative Jägerpassage für die Einrichtung von Proberäumen und einer Volksküche, ebenfalls je einen Tausender bekommen „Karola“, ein internationaler Treffpunkt für Frauen und Mädchen, und die Hafenkrankenhaus-Ini „Ein Stadtteil steht auf“ für Armenspeisungen. 700 Mark gehen an den Stadtteilladen VorOrt, der damit Nachbarschaftsfrühstücke finanzieren will.

Die „Kurtaxe“ kostet zehn Mark. Dafür bekommt man ein Heft mit Gutscheinen für Ermäßigungen in knapp 50 Kneipen, Geschäften, Museen, Restaurants und Sex-shops, dessen neue Ausgabe Kiez-Mime Jan Fedder gestern präsentierte. Gesponsert wird die Aktion unter anderem von „das taxi“ und dem FC St. Pauli. Die Einnahmen sollen den Menschen im Stadtteil zugutekommen. Deren Freude war gestern groß. „Unsere Finanzierung ist seit Anfang Februar nicht mehr gesichert“, sagte Gudrun Hammer von VorOrt, „die Stadt braucht immer Monate. Ohne den Zuschuß wäre das Nachbarschaftsfrühstück armselig geworden.“

Eigentlich wollten die KurdirektorInnen „kein zweites Spendenparlament sein“ und sich bei der Auswahl auf Projekte konzentrieren, die Innovationen, Arbeits- und Ausbildungsplätze nach St. Pauli bringen. „Aber offenbar ist auch eine wichtige Frage im Stadtteil, woher die Leute zu essen bekommen“, erklärte Kurdirektorin Babette Peters.

Mit ihrer privaten Initiative wollen die KurdirektorInnen die Stadt nicht aus ihrer Verantwortung entlassen – im Gegenteil: 5000 Mark vergaben sie für die Finanzierung eines Gutachtens über die Auswirkung von geplanten Großbauprojekten und die Nutzung des Spielbudenplatzes. Die noch fehlenden 2000 Mark soll die Stadt drauflegen, fordert Kurdirektor Georg Möller: „Jetzt können die nicht mehr sagen, es gebe aus dem Stadtteil keine Ideen und Unterstützung.“

Die Kurtaxe ist bisher einmalig in Deutschland, nur in San Francisco gibt es eine ähnliche Initiative. Erste Anfragen aus München-Schwabing trudelten zwar inzwischen in St. Pauli ein, erzählt Möller: „Aber dort sind es einfach zu wenige, die sich engagieren – diese Breite gibt es nur in Hamburg.“

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