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Bloß keine Autos gewinnen!

■ Toll: Bremer Bürgerpark-Tombola eröffnet / Schade: Das Bundesgrenzschutz-Musikcorps Hannover spielte vom Band / Erregend: Todsichere Gewinntips!

Ja? Ja! Ja, ja, ja! Jaha... Jaaaah! Wie ist egal – Hauptsache, daß man „ja“ sagt zur 42. Bremer Bürgerparktombola, wenn man auch nur einen Funken Begeisterung für die Flora und Fauna im 132 Jahre alten Bremer Bürgerpark entfachen kann.

Reden wir doch in Bremen schon von der „fünften Jahreszeit“ dieser Stadt, wenn wir diese ominösen, grauen, kalten, regnerischen 92 Tagen zwischen Mitte Februar und Mitte Mai meinen. Die Bürger-parkstombola hilft uns allen trostreich über die Zeit zwischen dem grauen, kalten, regnerischen Winter und dem grauen, kalten, regnerischen Sommer hinweg. Und zwar womit? Mit den herrlichen rhetorischen Eskapaden ihrer Propagandisten, mit der unfaßbaren Gewinnchance von 1:3 und mit den Spitzen- und Höchstgewinnen: Autos!

(Vorsicht: Nicht, NIEMALS die Autos gewinnen, die auf dem Ansgarikirchhof stehen – irgendwelche Lausbuben haben alle Radkappen geklaut! Außerdem steht der Nissan Micra auf einem Spitzenplatz in der TÜV-Liste der mängelärmsten Autos nur deswegen, weil man mit dem Auto aus naheliegenden Gründen praktisch nie fährt. Man kann auch einen VW Polo gewinnen, aber der hat blöde Blinklichter. Finanziell am günstigsten ist es, den A-Klasse-Mercedes zu gewinnen und aus naheliegenden Gründen schnell zu verkaufen. Doch wer auf sein Image bedacht ist, gewinnt überhaupt keinen dieser Kleinwagen, weil er sich andernfalls am nächsten Tag in jedem Käsekurier und in jeder Rotenburger Volkszeitung mit Foto und unter voller Namensnennung blamiert.)

Samten säuselt ab sofort der Tombola-Propagandist, der bestimmt Kevin oder Rick heißt: „Mal ganz, gaaanz ehrlich – Gewinnen gehört bei einer Lotterie dazu. Und da kommt ja auch unser Schirmherr, der Bürgermeister Dr. Henning Scherf, der in seiner lockeren Art das nötige Quentchen Glück mitbringt, das man benötigt, um zu gewinnen.“ Haben Sie mitgezählt? Jahaha! Nebensatz dritter Ordnung! Unsere Bremer Propagandisten! Miesgelaunte Speckgürtelbewohner hätten das nicht gedacht, nicht wahr? Speckgürtelbewohner sind es leider auch, die von dem gestern, zur Bürgerparks-Tombola-Eröffnung wehenden Nordwestwind profitieren werden, weil bei ihnen die Luftballon mit anhängendem Freilos herunterkommen – der einzige Schatten, der auf die Eröffnungsveranstaltung fiel. Außer dem zweiten Schatten: Das Bundesgrenzschutzmusikcorps Hannover spielte vom Band, weil man angeblich Blechinstrumente bei Minusgraden nicht bedienen kann. Ha ha.

Der dritte Schatten: Herr Hempel, der „Präsi“ des Bürgerparksvereins, betont „Tombola“ auf der zweiten Silbe, was den unvorbereiteten Zuhören zunächst verunsichert, aber auch ein bißchen verrucht klingt.

Und jetzt kommen einige geldwerte Tips zum Umgang mit Tombóla-Losen: –Einem Sozialhilfeempfänger, der maulte: „Und was haben Sozialhilfeempfänger von der Tombola?“ riet der Verfasser dieser Zeilen, sich ein Los von einem noch nicht gestarteten Ballon zu pflücken, was er tat und wodurch er in den Besitz einer Packung Spirulina platensis (Mikroalgen-Tabletten) gelangte. –Man darf nie die Lose einzeln, auf Intuition oder magische Fähigkeiten vertrauend, aus dem seltsamen Holzkästchen der Losverkäuferinnen fischen, sondern sollte rasch und ohne Nachdenken eine Handvoll greifen. Dem Verfasser dieser Zeilen gelang auf Anhieb eine Quote von 2:5 (75 cl Balaton-Rotwein aus Ungarn, in der DDR noch gesuchte „Bückware“, und 100 g feine Gebäckröllchen für fünf Lose). Manchmal gewinnt man Untaugliches wie Gutscheine für einmal ins Fockemuseum gehen oder einen Ladenhüter von Leuchten Theimann oder Knorr Fix für Hackbraten oder Baby Feuchtpflege Creme oder zehn Papierservietten. Dann kräht man gleich bei der Gewinnausgabestelle: Ich bin noch keine 18, ich darf keinen Balaton! Ich bin Muslim, ich darf keine Schweineleberwurst! Ich bin Papierallergiker und falle angesichts von Papierservietten sofort tot um! Ich bin Grüner und hasse Autos! Ich bin ADAC-Mitglied und fliege raus, wenn man mich mit einem Fahrrad erwischt! Wenn man gut ist, kriegt man ersatzweise das, was heimlich alle wollen: Kartoffelchips (extra scharf). Zweitens kann man mit Passanten tauschen. Drittens wirft man das Zeug dem Violinspieler in den Hut . BuS

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