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New York im Schloß

■ Ver-Rückt: Eine Ausstellung neuer Kunst aus New York

Von Amerika aus gesehen ist Agathenburg nicht abgelegener als Hamburg und so muß man sich schon auf die kleine Reise in das bei Stade gelegene Schloß begeben, um Einblick in aktuelle Tendenzen dortiger Kunst zu bekommen. Die Ausstellung Ver-Rückt präsentiert Objekte und Installationen von sieben jungen New Yorker Künstlern.

Die ganze Ausstellung wandert auf dem Grad zwischen Artefakt und Konzept. Die erste ihrer Botschaften ist, daß in der New Yorker Szene diese theoretischen Unterscheidungen gar nicht mehr so wichtig genommen werden. Der aktuelle Kunst-Cocktail ergibt sich aus der Rückbesinnung auf Happening und Fluxus der 60er, Aufnahme von POP-Art in die Formen, sowie aus dem Wissen um eine wesentlich von John Cage bestimmte Konzeptualität.

Analog zum Schwinden ideologischer Konfrontationen wird versucht, alle Positionen zu vereinen und so zu einem der heutigen Zeit angemessenen „sinnlichen Scheinen der Idee“ zu kommen, ohne in Beliebigkeit zu versinken. Alle ausgewählten Künstler stellen die Frage nach den ästhetischen Codes ohne auf schön gemachte Dinge zu verzichten. Brian Tolle präsentiert das Tischschreibpult von Präsident Jefferson, auf dem er 1776 die Unabhängigkeitserklärung schrieb. Allerdings gibt es das nationale Kultobjekt mehrfach: Im Washingtoner Smithonian ebenso wie im Bismarckmuseum in Friedrichsruh und in weiteren nicht als Kopien kenntlich gemachten Remakes. Museologisch gesehen ist das Geschichtsfälschung, in lockerer amerikanischer Art die schon lange vor Walt Disney praktizierte Erkenntnis, daß es nicht auf ein Original, sondern seinen schönen Schein ankommt. Wie ein aktueller Kommentar zur umsich greifenden Virtualität bleibt im Strudel der Reproduktion das Urbild verloren. Seine Existenz verflüchtigt sich in reine Information, zum Mythos für die, die da glauben wollen und kann also auch in Brian Tolles preisgünstiger Variante aus Pappe hausen.

Derartigen Umgang mit den Möglichkeiten brachte die New York Times in einem Text über den in England geborenen Matthew Ritchie zu der Formulierung: „Wenn Einstein ein barocker Künstler gewesen wäre, hätte er im Stile Ritchies gemalt.“ Seine alchemistischen Weltmodelle, deren Protagonisten die machtvollen, gestürzten Engel sind, werden in Malerei, Plastik und einem pictographischen Wandbild präsent.

Weniger mythologisch betreibt Alexander Ku die Selbstfindung. Er arbeitet mit der kolonialen und klischeehaften Prägung der Vorstellungen des Chinesen. Ist schon die korrekte Teatime? fragt sich der Künstler, guckt auf die Uhr und gießt sich siebenmal Tee aufs frische Hemd: ein Video und die Reihe der Hemden dokumentieren es.

Abwesend ist auch die Aktion von Toland Grinnell. Sein bis zur Wut frustrierter Versuch seinem Zwillingsdummie die Montage eines Motors zu erklären wurde nur von einer mechanisch kreisenden Kamera aufgezeichnet und wird jetzt vom kreisenden Monitor wiedergegeben, der zwar vom Besucher ein hohes Maß von Mitarbeit verlangt, aber doch nur eine vage Ahnung von dieser Konditionierung eines amerikanischen Mannes bietet. Hajo Schiff

Schloß Agathenburg zwischen Buxtehude und Stade, Di-Sa 14-18, So 10- 18 Uhr, bis 26.11.

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