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Sehnsucht nach was?

■ Schauspielhaus: Dreieinhalb Stunden Werktreue mit Harald Clemens „Drei Schwestern“-Inszenierung

Wer es gesehen hat, redet im Zusammenhang mit den Drei Schwestern gerne von Peter Stein. Wer seine Inszenierung nicht gesehen hat, nimmt irgendwelche anderen Erlebnisse aus dem deutschen Stadttheater als Referenz zur Hand oder entwirft die eigenen Vorstellungen aus der Lektüre Tschechows. Die Wasserscheide aller Meinungen über Drei-Schwestern-Inszenierungen (wie über die meisten Tschechow-Inszenierungen schlechthin) ist aber die Frage, ob es dem Regisseur gelungen ist, das Thema Langeweile zu behandeln, ohne zu langweilen. Die Frage an Harald Clemen, den Regisseur der neuen Version im Schauspielhaus, die Sonnabend Premiere hatte, muß aber auch lauten, warum man dieses Stück heute so inszenieren muß, wie es sich gehört?

Dafür sei hier eine andere Referenz-Inszenierung zitiert, die ein Licht darauf wirft, was mit Tschechow möglich ist, ohne Tschechow zu verraten: Die New Yorker Wooster Group hat vor einigen Jahren eine Version der Moskau-Sehnsucht aufgeführt, welche die unter der Langeweile vibrierende Erregung in eine Show und die gefesselte Sehnsucht in ein monoton verhaltenes Spiel übertrug sowie die Trennung durch Heuchelei, welche die Personen verbindet, durch die Trennung auf Videoschirme, deren Netzwerk in der Erzählerin/Showmasterin zusammenlief, zeitgenössisch interpretierte. Das war radikal und spannend zugleich, melancholisch und unterhaltend, charmant und dennoch voller Geist.

Nun kann es sein, daß man das nach Klassikern sich sehnende Publikum am Staatstheater nicht immer mit Neuformulierungen a la Marthaler, Castorf, Schleef etc. reizen darf. Aber daß man sich bei den Drei Schwestern einer aktuellen Interpretation ganz verschließt – von der Entsorgung einiger altertümlichen Etikette vielleicht einmal abgesehen –, ist doch nur schwer zu verstehen. Werktreue mag ja etwas sein, womit man den Studienrat und seinen Leistungskurs Deutsch ins Theater bringt, wiewohl auch hier die Langzeitwirkung, Theater habe nichts mit der Welt zu tun, eher negativer Natur sein dürfte. Aber im Deutschen Schauspielhaus ist soviel Zurückhaltung prinzipiell eine Enttäuschung, weil sich hier bisher selbst wenig grundsätzliche Klassiker-Inszenierungen um eine eigenwillige Sprache bemüht haben.

Daß der Entscheidungsfluß dann wenigstens nicht ganz ungebremst ins Tal des Gähnens abfloß, lag natürlich daran, daß hier Schauspielertheater gefragt war, was dann einige Akteure auch zu nutzen wußten. Elke Lang, emphatisch blasiert zwischen Ekel und Lebensgier, und Peter Brombacher, als sich selbst erniedrigender Gatte, bilden das spannendste Paar. Inka Friedrich als den Haushalt okkupierende Brudergattin gelingt es perfekt, allen Haß auf sich zu ziehen, obwohl man sich auch hier gewünscht hätte, daß der Regisseur dem Klassendünkel des Bildungs- gegen das Kleinbürgertum weniger eindeutig gefolgt wäre. Schließlich sind noch Bernd Grawert als neurotischer Hauptmann und Ilse Ritter als Olga aus der insgesamt stimmigen Ensembleleistung dezent hervorzuheben. Till Briegleb

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