: Schröders Wahlkampfschlager im Ausverkauf
■ Vor einem Jahr kaufte Gerhard Schröder auf Pump ein Stahlwerk, um im Wahlkampf einen Trumpf zu haben. Nun verkauft Niedersachsen die Salzgitter AG an den Arbed-Konzern
Hannover (taz) – Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski und die Nord LB haben gestern in Hannover mit Vertretern des Arbed-Konzerns Gespräche über eine Eingliederung der Salgitter AG in den in Luxemburg beheimateten Stahlkonzern geführt. Die spektakuläre Übernahme des Stahlunternehmens durch Niedersachsen und die Nord LB, die Gerhard Schröder vor einem Jahr zu seinem Schlager im Niedersachsenwahlkampf inszenierte, scheint damit zu einem schnöden Ende zu kommen: Nord LB und Landesregierung fädeln jetzt jene „Übernahme durch ein ausländisches Stahlunternehmen“ ein. Vor einem Jahr hatte Gerhard Schröder genau dieses durch den Kauf der Stahlwerke in Salzgitter noch verhindert.
Der niedersächsische Finanzminister Heiner Aller bestätigte gestern weitere Orientierungsgespräche zwischen der Landesregierung, der landeseigenen Nord LB und dem Arbed-Konzern über die Salgitter AG, die Anfang 1998 – noch unter den Namen Preussag Stahl AG – gemeinsam vom Land und der Nord LB gekauft worden war.
In den Orientierungsgesprächen solle geklärt werden, ob konkrete Verhandlungen zwischen dem Land, der Nord LB und dem Arbed-Konzern überhaupt Sinn machten, sagte Aller. Als ein denkbares Modell bezeichnte er „eine Holding-Struktur innerhalb eines Großkonzerns“.
Offenbar sollen im Zuge der Übernahme der Salzgitter-Stahl durch Arbed die beiden Arbed- Stahlwerke in Bremen und Thüringen und die Standorte der Salzgitter Stahl in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu einer Holding- Gesellschaft innerhalb des Arbed- Konzerns zusammengefaßt werden. Als Gegenleistung sollen die bisherigen Eigentümer der Salzgitter AG im Zuge eines Aktientauschs eine Minderheitsbeteiligung an Arbed erhalten. Aller bestätigte gestern, daß die Bewertung der beiden Unternehmen Arbed und Salzgitter Stahl zwischen beiden Seiten noch strittig ist.
Als Vorbedingung für eine Eingliederung der Salzgitter AG in den Luxemburger Konzern nannte Aller „die Erhaltung der Montanmitbestimmung“ und eine „größtmögliche Selbständigkeit der Standorte“ innerhalb des Arbed- Konzerns. Eine Garantie für die Arbeitsplätze in Salzgitter verlangte er nicht. Ziel sei es, „die Zahl der Arbeitsplätze in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt auf längere Sicht im wesentlichen zu sichern“, sagte Aller lediglich.
Gerade um langfristig die Arbeitsplätze zu sichern, hatte Gerhard Schröder vor einem Jahr die zum Verkauf stehende Stahltochter der Preussag AG in Landesbesitz übernommen und als Salzgitter AG verselbständigt. Interesse an der Preussag Stahl hatten seinerzeit auch British Steel und das österreichische Unternehmen Voest Alpine gezeigt.
Ein Verkauf an diese Unternehmen hatte Schröder jedoch mit dem Argument verhindert, nur wenn die Entscheidung über die Arbeitsplätze weiter in Niedersachsen falle, ließen sie sich angesichts der Stahlüberkapazitäten langfristig sichern. Schröder war zu dem Zeitpunkt im Landtagswahlkampf. Er wollte damals noch niedersächsischer Ministerpräsident werden, was ihm bekanntlich auch gelang.
Der Versuch des Landes und der Nord LB, die Salzgitter AG über einen Börsengang zu reprivatisieren, war im Sommer praktisch gescheitert. Die Nord LB mußte erhebliche Aktienpakete gleich nach dem Börsengang wieder zurückkaufen. Das Land hatte die Übernahmen des Stahlunternehmens von vornherein auf Pump, nämlich durch Aufnahme von Millionenkrediten der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft HanBG, finanziert.
Der jetzige niedersächsische Ministerpräsident Gehard Glogowski (SPD) wurde über die Gespräche zwischen der Nord LB und HanBG mit Arbed erst sehr spät, nach Angaben von Aller am vergangenem Dienstag, informiert. Jürgen Voges
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