Grün und Blau gegen die Zensur

Weil sie über Korruptionsfälle des Premiers berichtet hatte, bedrängten Pakistans Behörden eine Zeitung. Doch das löste eine Volksbewegung für das Blatt aus  ■ Aus Karachi Bernard Imhasly

Das Massenblatt Jang erschien in den letzten Monaten immer wieder in wechselnden Farben. Einmal war das Papier weiß, an einem anderen Tag grün, dann wieder rosa oder blau. Der Verlag wollte damit nicht den robusten Zeitungsnamen – „Jang“ heißt „Krieg“ – durch leserfreundliche Farben auflockern.

Pakistans größte Zeitungsgruppe befindet sich tatsächlich im Krieg, und die wechselnden Papierfarben sind ein Zeugnis wachsender Verzweiflung. Denn ihr Gegner, die Regierung in Islamabad, hat zu einem bewährten Mittel gegriffen, um sich die in Urdu erscheinende Zeitung und ihr englischsprachiges Schwesterblatt The News gefügig zu machen.

Sie hat ihnen die Einfuhrlizenz für Zeitungspapier entzogen. Da Pakistan dafür auf das Ausland angewiesen ist, kann dies einer Zeitung den Hals zuschnüren. Auf dem lokalen Zweitmarkt muß Jang nehmen, was es gibt, und sei die Papierfarbe rosarot.

Die Kündigung der Importlizenz war nur eines der Mittel, mit dem die Regierung von Nawaz Sharif versuchte, die mit rund 500.000 Exemplaren auflagenstärkste Tageszeitung und die einflußreiche News zu zähmen.

Der Vorwand: eine Steuersache

Der Lizenzentzug selber war Teil einer Anklage wegen Steuerhinterziehung, und zwar gleich für eine Summe von zwei Milliarden Rupien (rund 100 Millionen Dollar). Der Anklagepunkt war besonders pikant, denn Anlaß waren ausgerechnet Artikel gewesen, welche Sharif Steuervergehen in Großbritannien vorwarfen.

Dabei hatten die Zeitungen lediglich Artikel britischer Blätter wiedergegeben. Sharifs Familie besitzt die Firma Ittefaq Industries, die sich von einem bescheidenen Stahlhandelsgeschäft zu einem weitverzweigten Industrie-Imperium entwickelt hat.

Der Publikation folgten Polizeibesuche bei der Redaktion, und kurz darauf erhielt der Verleger eine Liste von 16 Journalisten ausgehändigt, die sofort zu entlassen seien. Die News-Chefredakteurin Maleeha Lodhi, eine der Zielscheiben, erhielt anonyme Todesdrohungen, einer anderen Journalistin wurde der Hund vergiftet, alle wurden beschattet.

Als andere Verlage unter Druck gesetzt wurden, der Jang-Gruppe kein Papier mehr zu verkaufen, ging der Verleger vor Gericht, um die drohende Einstellung der Publikationen abzuwenden. Das Oberste Gericht verfügte die Wiederherstellung der Papierlieferungen, was die Polizei aber nicht abhielt, anderntags die Papierlieferungen wiederum zu konfiszieren.

Ende Januar setzte die Regierung noch einmal die Schrauben an und verklagte Jang wegen Volksverhetzung, weil sie ein Inserat der oppositionellen MQM-Partei gedruckt hatte.

Für Mehmood Sham, den Chefredakteur von Jang, sind die peinlichen Enthüllungen über den Regierungschef nicht der wichtigste Grund für die harsche Reaktion des Staats. Die Presse ist lediglich die letzte Hürde, die Nawaz Sharif nehmen muß, um seine Machtstellung unangreifbar zu machen. Zuerst kam die Entmachtung des Präsidenten, dann zwang er den Obersten Richter des Landes zum Rücktritt. Schließlich entließ er den Oberkommandierenden der Armee. Nur die Presse hat er noch nicht gleichgestellt. Diese spielt immer mehr die Rolle einer inoffiziellen Opposition.

Seit der demokratischen Öffnung vor zehn Jahren hat die Presse – Radio und Fernsehen bleiben noch fest in den Händen des Staats – ihren Freiraum resolut ausgeweitet. Zwar gibt es viele Zeitungen, die wegen lukrativer Staatsinserate eine regierungsfreundliche Linie verfolgen. Aber das Publikum honoriert offensichtlich jene Blätter, die über Korruptionsfälle berichten, auch wenn viele Artikel schlecht recherchiert sind.

Der „Wunsch“ kam per Telefon

In einer dramatischen Pressekonferenz spielte Verleger Rehman Ende Januar Tonbandaufnahmen eines Telefongesprächs mit einem Sharif-Vertrauten vor. Darin gab dieser den „Wunsch“ des Premierministers weiter, nicht gegen die Geschäftsinteressen seiner Familie zu schreiben – von Steuerhinterziehung war keine Rede mehr.

In den letzten Tagen mehrten sich die Anzeichen, daß die Regierung den inzwischen offenen Krieg beilegen will. Am vergangenen Montag kamen in Islamabad und Karachi mehrere tausend Menschen zu einem Marsch für die Pressefreiheit zusammen, am Mittwoch gab es eine Protestdemonstration in Lahore. Die wachsende Bewegung sowie die negative Publizität hat Sharif offenbar zur Einsicht gebracht, daß er eine direkte Konfrontation mit dem populärsten Massenblatt des Landes nicht gewinnen kann. Der Papierstopp wurde eingestellt, und die in den Redaktionen postierten Polizeivertreter wurden abgezogen.

Am vorvergangenen Samstag traf sich Verleger Rehman mit seinem Namensvetter Saifur Rehman, der als oberster Spürhund des Premierministers gilt und die Kampagne gegen Jang orchestriert hatte. Der Jang-Verleger bestätigte darauf, daß sich der Disput einer Lösung nähert. Und er fügte hinzu: „Ich möchte klarstellen, daß es dabei um die Pressefreiheit ging – und daß eine Lösung keine Bedingungen enthalten wird.“