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Semmel an der Wand

■ Die Galerie Beim Steinernen Kreuz zeigt jetzt neue Arbeiten des Bremer Malers Norbert Schwontkowski

Schwontkowskis gehen weg wie warme Semmeln. Erst kürzlich, erzählt atemlos das attraktive Paar der Sorte „Spricht ein Bild mich an, klebt sofort das ,Gekauft'-Schild dran“, mußten sie aus einer Bremerhavener Galerie ohne die heißbegehrte Schwontkowski-Trophäe im Gepäck ins triste Wohnzimmer zurückkehren. Und nun, fragt es ängstlich aus ihren Gesichtern, werden wir etwa wieder vom Leben bestraft, weil wir wieder nicht rechtzeitig gekommen sind?

Wie man's nimmt: Obwohl die Vernissage nur wenige Tage zurückliegt, ist die Auswahl an noch erwerbbaren Bildern bereits ziemlich eingeschränkt. Und das, so verrät der Geruch in der Galerie am Steinernen Kreuz im Bremer Ostertor-Viertel, obwohl Norbert Schwontkowski bis kurz vor der Eröffnung noch neue Gemälde produziert hat. „Schwontkowski hat halt richtige Fans, zunehmend auch im europäischen Ausland“, erzählt Brigitte Seinsoth, die 1984 den späteren Bremer Kunstpreisträger als erste Galeristin überhaupt ausgestellt hat und ihn nun zum sechsten Mal in ihren Räumen präsentiert.

Schwontkowski-Fan zu sein – ist eine Vorstellung, die seltsam anmutet. Denn den Arbeiten des gebürtigen Bremers ist eine heftige Melancholie eigen, die mit leidenschaftlich vorgetragenen Emotionen positiver Art so gar nicht vereinbar ist. Die Bilder des 50jährigen stecken voller Leere: Eine grünmodrige, konturlose Welt trotzt erfolgreich den Versuchen, sich von einigen leuchtenden Straßenlaternen die Dunkelheit rauben zu lassen; ein Mann, der nur mit Mühe Nase und Hand ins weite Bild gepreßt bekommt, betrachtet kleinäugig eine Fliege, die auf seinem Finger klebt; zwei kleine Raben schließlich hocken einander auf einem blattlosen Baum gegenüber und üben sich in der Kunst des wahrscheinlich erfolglosen Wartens auf Godot.

Nirgends tobt das Leben. Und über allem liegt eine große Stille, die zumeist hinter einer zähen Soße dick aufgetragener Farben der bedrückenden Tonlagen blaßgelb, ölig-grün oder verwaschen-rot verborgen liegt. Es wundert kaum mehr, daß es dunkel werden muß, damit Schwontkowski die Farben leuchten läßt. Schwarz ergießt es sich dann über die Leinwand, und allenfalls ein kleiner erleuchteter Zug, der kalte Mond oder ein paar winzige Sterne üben sich darin, einen spannungsvollen Kontrast auf die Beine zu stellen.

Wie mag so jemand wohl aussehen, dessen Innerstes tief verwurzelt scheint in dem von Nebeln und Moorlandschaften geprägten norddeutschen Gemüt? Ein Selbstporträt im von anderen Bildern bereits vertrauten Schwontkowski-Stil von schräg hinten, zumeist nasen-, ohren- und augenlos, gibt (vielsagende?) Auskunft: Ein konturloser rosabackiger Typ ist zu sehen, mit blonder Stoppelhaarfrisur auf dem runden Kopf, in die das Alter bereits eine kleine Lichtung geschlagen hat und der umgeben ist von einem Karomuster und dunkelbläßlichem Nichts.

Manchmal entfährt einem in Anwesenheit von Schwontkowskis Bildern durchaus ein leises Schmunzeln. Aber richtig lustig ist das alles nicht. Eher ein wenig romantisch. Aber von jener tonnenschwer auf den Schultern lastenden Romantik, wo man mit pulsierendem Herzen dem Schicksal bei seinem seltsamen Treiben zusieht und im nächsten Augenblick versucht, sich in einer deprimierend schmutzigen Regenpfütze zu ertränken. Sowas gelingt natürlich nie. Und so schleicht man sich im nächsten Augenblick heim und spachtelt schweren Herzens eine dicke Lage eines Gemischs aus Leinöl und Pigmenten auf die Leinwand. Und malt damit zum Beispiel fröhliche Mütter, die ihr unförmiges Kind in die Luft werfen und beileibe nicht sicher sein dürfen, daß es in ihre Arme zurückkehren wird. Wer wollte bestreiten, daß da ein Sokratiker den Pinsel führt, der weiß, daß man von diesem verrückten Leben letztlich nichts wissen kann?

Die Stadt Bremerhaven muß ein seltsames Pflaster sein. Und erst mal die Wohnzimmer. Voller romantisch-düsterer Schwontkowskis. Aber so ist der norddeutsche Humor nun mal. zott

Die Ausstellung in der Galerie Beim Steinernen Kreuz (Beim Steinernen Kreuz 1) dauert noch bis zum 20. März. Öffnungszeiten: Di bis Fr 10-13 Uhr u. 15-18.30 Uhr; Sa 10-14 Uhr. Infos erhält man unter 70 15 15

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