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Ausverkauf der Firma Frankreich

Jospin spricht nicht mehr von den ungeliebten Privatisierungen, gibt aber mehr Staatsunternehmen in Privathand denn je. Trotzdem bleibt der Aufstand aus – unter anderem wegen der kommunistischen Minister  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Vollmundig versprachen die französischen SozialistInnen und KommunistInnen im letzten Wahlkampf: „Wir werden den Privatisierungsprozeß stoppen.“ 20 Monate nachdem sie mit diesem Slogan, und zusammen mit den Grünen, in die Regierung kamen, ist heute der Ausverkauf des einstmals großen staatlichen Sektors Frankreichs in vollem Gang.

In Rekordzeit verscherbelten die Pariser Linken staatliche Schmuckstücke aus den unterschiedlichsten Bereichen. Jüngstes Beispiel ist die Privatisierung der Rüstungsschmiede Aerospatiale – eine Voraussetzung für die Bildung eines Luftfahrtkonzerns zusammen mit der DaimlerChrysler- Tochter Dasa. Direkt vorausgegangen sind die Kapitalöffnungen bei der staatlichen Luftfahrtgesellschaft Air France sowie der Bank Crédit Lyonnais. Weiterhin schickten die Rot-Rosa-Grünen so unterschiedliche Unternehmen wie den weltweit viertgrößten Telekommunikationsanbieter France Télécom, den Unterhaltungselektronikhersteller Thomson Multimédia, die Bank CIC und die Versicherung GAN an die Börse. Demnächst steht die Privatisierung auch der Gas- und Elektrizitätsbranche bevor.

Schon jetzt haben die Rot-Rosa-Grünen in Paris Verkäufe im Wert von weit über 100 Milliarden Franc sichergestellt. Wenn sie weiter so wirtschaften können wie geplant, werden sie mit dem Ausverkauf des Staatsbesitzes bis zum Sommer 210 Milliarden Francs eingenommen haben. Damit wird Jospin in seiner Amtszeit die letzten drei konservativen Regierungen zusammen übertreffen, die in sechs Jahren „bloß“ Privatisierungen im Wert von 226 Milliarden Franc geschafft haben.

Im Gegensatz zu seinem glücklosen konservativen Amtsvorgänger Alain Juppé, der mit jedem neuen Privatisierungsversuch einen Sturm des Entsetzens auslöste und dessen Reformvorhaben für die Staatsbahn SNCF im Winter 1995 zu dem längsten Streik seit den Tagen der 68er Bewegung geführt hatten, ist der sozialistische Premierminister Lionel Jospin bislang bei seinem Ausverkauf der Firma Frankreich auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen.

Die linke Regierung versteht es, ihre Privatisierungspolitik zu vermitteln. Während Jospin selbst den Begriff „Anpassungen“ und die Rede von „linkem Realismus“ bevorzugt, spricht sein Parteifreund, Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn, von „Kapitalöffnungen“. Das Reizwort „Privatisierungen“ haben die Rot-Rosa-Grünen aus ihrem Vokabular gestrichen.

In den meisten Fällen behält der Staat eine Sperrminorität des Kapitals. Aber das hatten auch die vorangegangenen konservativen Regierungen nicht anders geplant.

Hilfreich für die Umsetzung der linken Privatisierungspolitik ist auch die Präsenz von drei KommunistInnen in der Regierung. Der kommunistische Transportminister Jean-Claude Gayssot stellte sich zu Anfang seiner Amtszeit der Öffentlichkeit mit den Worten vor: „Ich werde kein Privatisierungsminister sein.“ Bei seinen ehemaligen EisenbahnerkollegInnen ist er immer noch beliebt. Obwohl seine Regierung die Regionalisierung der SNCF nicht rückgängig gemacht hat, die sozialistische (und damals oppositionelle) PolitikerInnen bei ihrer Einführung im Jahr 1996 noch als „Weg zur Privatisierung“ kritisiert hatten.

Lob für seine Privatisierungen bekommt Jospin von der EU- Kommission und von konservativen Politikern. „Man muß einfach anerkennen“, sagte der frühere Premierminister und heutige Bürgermeister von Lyon, Raymond Barre, „daß gewisse Maßnahmen durchgehen, weil die Linke regiert. Und die ruft eben nicht dieselben Reaktionen hervor wie Juppé, der dasselbe getan hat.“

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