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Klappt gut und klingt gut

Rückblickend, aber ganz neu zusammengeknetet, legt sich die Musik detailverliebt schichtweise übereinander: Jazzanova klingen so, wie sie heißen, und sind ein DJ-Kollektiv mit ausgeprägtem Arbeitseifer  ■ Von Susanne Messmer

Obwohl der Abend schon nicht mehr ganz frisch ist, geht es hier immer noch hoch her. Einer dreht aufgeregt gestikulierend seine Runden um einen Tisch und hält ein Handy ans Ohr. Eine anderer geht schnell Kaffee kaufen. „Wir versuchen gerade herauszufinden, wer die Rechte an einem superwichtigen Stück hat, das wir für eine Compilation lizensieren wollen“, meint der erste, stellt sich entschuldigend lächelnd vor und flattert schon wieder aufgeregt weg. Ein gemütliches Gespräch, abends um halb acht in einem Büro in Mitte, sieht irgendwie anders aus.

Nichts, wirklich überhaupt nichts ist übrig geblieben von diesem schönen, gemütlichen Schwebezustand Berlins, der einen, wenn man wollte, jahrelang glücklich vor sich hinträumen ließ. Was früher Independent hieß, nennt sich heute Jungunternehmertum, hat viel Arbeitsmoral und wenig Zeit. Und wie im Falle Jazzanovas nennt es sich dann auch noch Kollektiv. Endlich setzt sich mal einer hin und erzählt von seiner Band: Jazzanova sind im Kern drei DJs, Jürgen von Knoblauch, Alexander Barck und Claas Brieler, die sich im Delicious Doughnuts kennengelernt haben. Als der Club dicht machte, gründete man quasi aus Versehen das gleichnamige Label. Weil die Leute vom Doughnuts verschwitzt hatten, die lang versprochene zweite Doughnuts-Compilation herauszubringen, fabrizierte man die einfach selbst. Durch diese Compilation wurden viele erstmalig aufmerksam auf Jazzanova, die im Studio mit den Produzenten von Extended Spirit, mit Rosko Kretschmann und Axel Reinemer zusammenarbeiten. „Die beiden sind so richtige Tüftler, die sich tagelang in ihr Studio einschließen können. Das kann man ja auch hören“, berichtet Alexander und rennt gleich begeistert zum CD- Player, um etwas einzulegen. „Wir als DJs sorgen für deren Kontakt zur Außenwelt. Wir besorgen die Samples und können ihnen sagen, was auf der Tanzfläche ankommt und was nicht.“

Jazzanova machen sehr rückblickende Musik, aber ganz neu zusammengeknetet. Da finden sich elektronisch überarbeitete Samples akustischer Instrumente, Erinnerungen an ein Saxophon, eine Trompete, ein Xylophon. Oft schleicht sich was Perkussives ein, um gleich darauf von modernen Bassdrums eingefangen zu werden. Oft haben ihre Melodien etwas Jazziges, oft klingt es nach Rumba, Salsa – oder eben nach Bossanova. Manchmal haben ihre Stücke den 70er Glamour von Big Beat, dann erklingen theatralische Fanfaren aus Hollywood oder schummrig stilisierte Flöten aus dem Gruselfilm. Immer ist ihre Musik detailverliebt und legt sich in mehreren Schichten übereinander. Immer gibt es dabei einen roten Faden, eine sehr erfinderische Songstruktur, zu der eigentlich nur noch der Gesang fehlte. Weniger geht es Jazzanova dabei um Transparenz und die Sparsamkeit der Mittel, als um den finalen Knall, um den Groove am Ende der Kette beim Zappeln. Und wenn es dazu nordtibetanische Gebirgswassermusik bräuchte, würden sie auch davor nicht haltmachen. Sie kennen keine Scham beim Wühlen in der Klangkiste. Das macht Spaß und sorgt für Erfolg. So haben Jazzanova bereits Remixe für die Marshmellows, 4Hero und Visit Venus hergestellt.

Um auch andere an den dadurch sich füllenden Finanztöpfen teilhaben zu lassen, haben Jazzanova vor drei Jahren zusätzlich das „Sonar Kollekiv“ gegründet – dort ist zum Beispiel unter dem Titel „Formation60“ ein wunderbarer Sampler mit osteuropäischem Jazz aus den Jahren 1957 bis 1969 erschienen. Durch das „Sonar Kollektiv“ sollen nach dem Muster der althergebrachten Vetternwirtschaft Musiker die Möglichkeit bekommen, ihr eigenes Label zu gründen, sich ins Fahrwasser von Jazzanova zu begeben und mit deren Hilfe nach den gescheitesten Verkaufsmöglichkeiten zu suchen, nach einem passenden Vertrieb, der richtigen Promo usw. „Das sieht erst mal sehr großherzig aus, ist es aber nicht. Wir finden, je gebündelter wir auftreten mit diesem Wiedererkennungszeichen, desto stärker sind wir, desto bekannter werden wir“, sagt Alex. „Wir sind die Chefs des Kollektivs, die alles ausbalancieren, auch finanziell. Trotzdem müssen die Künstler sich hier mehr engagieren als Musiker bei anderen Labels.“

Eigentlich ist das nicht mehr und nicht weniger als das großartige Prinzip der Selbstausbeutung wegen totaler Identifikation mit dem eigenen Produkt. Klappt gut. Klingt gut. Wenn nur etwas von der charmanten Berliner Arbeitsscheu übriggeblieben wäre. Vielleicht mal ein Stück, das den bombigsten Beat verpaßt. Oder einfach etwas Müßigkeit abends um halb acht in einem Büro, irgendwo in Mitte.

Jazzanova legen auf am 17. 2. 98 im SO36, Kreuzberg

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