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Keine Hofberichterstattung über den Sozialpalast

■ Wie der Eigentümer versuchte, die Ausstrahlung einer Fernsehreportage zu verhindern

Wieder einmal ist der Schöneberger Sozialpalast ins Gerede gekommen. Doch diesmal geht es nicht wie vor einem Jahr um den von CDU-Fraktionschef Klaus- Rüdiger Landowsky geforderten Abriß, sondern um die mediale Darstellung des Gebäudekomplexes, der durch bauliche Mängel, Ungeziefer und hohe Kriminalität in Verruf geraten war. Die Kommanditgesellschaft Wohnen am Kleistpark GmbH hatte der Neuen Berliner Filmgesellschaft (NBF) per einstweiliger Verfügung des Landgerichts verbieten lassen, „in oder vor der Wohnanlage Pallasstraße Ecke Potsdamer Straße“ zu drehen – mit einer Strafandrohung von einer halben Million Mark. Bereits gedrehte Bilder für die Reportage der ZDF-Reihe „37 Grad“, die im März ausgestrahlt werden soll, dürften nicht weitergegeben werden.

Dagegen hatte die NBF geklagt. „Das ist skandalös“, so der Anwalt der Filmfirma, Christlieb Klages. Der Regisseur hatte Ende Januar ohne Erlaubnis der Eigentümer-KG gefilmt. Anwalt Klages verweist auf die eidesstattlichen Erklärungen der vier Protagonistinnen der Reportage, die ihr ausdrückliches Einverständnis gegeben hatten, auch außerhalb ihrer vier Wände gefilmt zu werden. Zur Geschichte der Bewohner gehörten auch die Gänge und das Grundstück.

Als ebenso skandalös bezeichnet Anwalt Klages den Versuch des Eigentümers, per exklusiver Drehgenehmigung eine positive Berichterstattung über den Sozialpalast zu erzwingen. Der Vertreter der Eigentümer-KG hatte zwei Fernsehjournalisten Ende vergangenen Jahres – die B.Z. hatte gerade „Der Sozialpalast. Die Diktatur der Kakerlaken“ getitelt – strenge Auflagen erteilt. Der Film dürfe „keine für unsere Anlage negative Grundtendenz aufweisen“ und müsse „die positiven Erfolge aller Beteiligten“ bei der Sanierung der Wohnanlage „angemessen herausstellen“. Für Anwalt Klages unannehmbare Konditionen: „Das wäre Hofberichterstattung.“ Man dürfe keine „Glocke über den Sozialpalast stülpen“.

Zu einer Einschränkung der Pressefreiheit ist es nun doch nicht gekommen. Gestern entschied das Landgericht, daß die Aufnahmen verwendet werden dürfen, obwohl auf den Gängen ohne Genehmigung nicht gedreht werden darf. „Das ist eine wichtige Entscheidung für das Presserecht“, kommentierte Anwalt Klages die Entscheidung. So wird am 23. März die Reportage „Violettas schönster Tanz“ doch zu sehen sein. Sie schildert das Schicksal von Violetta, einer 13jährigen Tochter einer Russin und eines Afrikaners, die leidenschaftlich gern tanzt. Außerdem geht es um eine 84jährige ehemalige Trümmerfrau, die gerne in dem Wohnkomplex wohnt, sowie um eine Syrerin und eine Türkin, die gerne wegziehen möchten. Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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