: Wo die Sennerin froh jodelt...
Unterhalb des Dachstein liegt Ramsau. Also am schönsten Fleck der Alpen. Sagen die Ramsauer. Damit es die Welt erfahre, beginnt dort heute die Nordische Ski-WM ■ Aus Ramsau Markus Völker
„Wo die Gemse keck von der Felswand springt / und der Jäger kühn sein Leben wagt; / wo die Sennerin frohe Jodler singt / am Gebirg, das hoch in Wolken ragt: / Dieses schöne Land ist der Steirer Land.“
(Dachsteinlied)
Im Ramsauer Kinderklub waren die Figuren ein Hit. Blöki, das Schaf, Blubb, die Bachforelle, und Taps, der Fuchs. Alle bewarben sich um die Rolle des Maskottchens für die Nordische Ski-WM, die heute in Ramsau beginnt und bis zum 28. Februar dauert. Keiner erhielt den Zuschlag. Karli machte das Rennen. Ein kleiner, grüner Saurier. Den haben die Organisatoren ausgewählt, weil sie seinen Zweitnamen Ramsaurier für ziemlich gelungen hielten. Der Star des Kinderklubs wurde gestylt, bekam Mütze auf und Schal an, und hieß fortan nicht mehr Karli, sondern Kali. „Wir wollten niemanden brüskieren, der Karl heißt“, erklärt Bürgermeister Helmut Schrempf die Namensänderung. Nur, in Wahrheit liegt die Sache etwas anders. In einer wichtigen Publikation wurde das „R“ unterschlagen. Der Fehler war nicht mehr rückgängig zu machen. Also blieb es beim wunderlich-salzhaltigen Spitznamen.
„Wir in der Ramsau lassen eh immer das ,R‘ weg“, sagt Schrempf und besteht auf seiner Version der Maskottchengeschichte. Das ist nicht verwunderlich. Die Leute auf dem Hochplateau unterhalb des Dachsteinmassivs sind für ihre Starrköpfigkeit bekannt. Sie ist über Jahrhunderte gewachsen. In einem erzkatholischen Umfeld hat sich auch zu Zeiten der Gegenreformation der evangelische Glaube gehalten. Die Ramsauer Bergbauern lagen abseits der Handelswege und jeglicher wirtschaftlicher Interessen. Das Erzbistum Salzburg und der Grazer Erzherzog ließen die paar hundert Senner und Hirten gewähren, die ein karges Auskommen als Selbstversorger hatten. Erst 1781 erließ Kaiser Joseph II. ein Toleranzdekret, das freie Religionsausübung gestattete. Die Ramsau konstituierte sich als erste protestantische Gemeinde der Steiermark. Auf diese Glaubensgeschichte sind die Einheimischen stolz.
Mit dem eigenbrötlerischen Selbstbewußtsein umzugehen, ist nicht immer leicht. Davon weiß Pfarrer Wolfgang Rehner zu berichten. „Man darf hier nicht von außen, aus einem Ort kommen, wo alle Menschen gescheit geboren werden. Wenn man den Eindruck vermittelt, hat man von vornherein verloren“, erzählt der aus Siebenbürgen stammende Geistliche. Keine Frage, daß es die „Großgoscherten“ aus Wien und Deutschland nicht eben leicht haben. Eine Geste der Demut und Zurückhaltung, die in der Ramsau zum Repertoire gehören sollte, ist nicht jedermanns Stärke. „Aber ich als Pfarrer laufe glücklicherweise außer Konkurrenz, anders wär's, würde ich ein Gasthaus aufmachen.“
Wolfgang Mitter hat es zwar nicht als Wirt versucht, aber auch der Grazer mußte sich seinen Kredit bei den skeptischen Älplern erst hart erarbeiten. „Gegen diese Platzhirschmentalität kommst du auch mit dem witzigsten Schmäh nicht an“, hat der Chef des Organisationskomitees der WM inzwischen gelernt. Der Ramsauer denke nun mal, ihm gehöre die Welt, auch wenn sie nur aus einem kleinen Flecken besteht. Ein schöner Flecken, das wohl.
Hinter einer sonnigen Hochebene gibt der 3.004 Meter hohe Dachstein eine grandiose Kulisse ab. Das Ambiente wissen Tourismusmanager gut zu vermarkten. Mitter spricht schwärmerisch gar vom „schönsten Platz der gesamten Alpen“. So ärmlich die Vergangenheit war, in der Jetztzeit ist der Ort rein auf Kommerz und Tourismuswirtschaft ausgerichtet. 7.500 Betten stehen bereit. Trotzdem war es in der Ramsau bisher relativ ruhig. Es macht hier keiner Urlaub, der dringend erkannt werden will. Alpinrummel und Après- Ski-Getöse finden im Tal, im Nachbarort Schladming statt. Keine Disko gibt es in der Ramsau, dafür aber 150 Kilometer Loipe.
Dann, Ende der 80er, kam die Idee, nach dem Vorbild des Holmenkollen ein Nordisches Skizentrum in Mitteleuropa zu schaffen. Eine Schanze und eine Skirollerstrecke wurden gebaut, der Dachsteingletscher als ganzjähriges Trainingsgelände erschlossen und die WM-Bewerbung auf den Weg gebracht. „Klar, Weltmeisterschaft ist immer Superlative und Gigantomanismus“, erläutert Bürgermeister Schrempf etwas holprig, „aber das ist unsere große Chance.“ Imagekorrektur heißt das Gebot. War der Langlaufsport bisher als schnarchiger Rentnersport verschrien, soll er zum Trendsport gepusht werden. Schrempf möchte nicht mehr die „älteren Leute“ in „karierten Hemden und Kniebundhosen“ sehen, sondern „poppige Rennanzüge“. OK-Chef Mitter legt noch nach: „Ich will nicht den alten Knacker mit einer Kondition wie eine Weißwurst auf der Loipe sehen, ich will den zahlungskräftigen Sportler haben.“
Das Kalkül: Der Sport soll Geld bringen. An der Lokomotive, wie es Schrempf formuliert, sollen möglichst viele Waggons dran sein, die wirtschaftliche Interessen transportieren. 40 Millionen Mark haben Bund und Land in Infrastruktur investiert. Mitters Austria-Ski Veranstaltungs Gmbh, eine Gesellschaft des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), hat 25 Millionen aufgebracht. Man rechnet mit Gewinnen. Daran sollen sich auch die österreichischen Athleten beteiligen. So hofft man. Ein „einzigartiges Skifest“ wird versprochen.
Einziger kritischer Diskussionspunkt: die Nachnutzung. Während Einheimische die Pläne, dem Holmenkollen nachzueifern, für ein „großes Blabla“ halten, ist zumindest für Kali, den Ramsaurier, nach der WM alles klar. Er wird wieder im Kinderklub Dienst tun. In Gesellschaft mit Hirsch Basti und Fledermaus Vampi. Vielleicht kriegt er dann ja auch sein „R“ zurück.
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