piwik no script img

Sühne für Mord an Biko?

■ Wahrheitskommission lehnt Amnestie für Mörder des südafrikanischen Aktivisten ab

Johannesburg (taz) – In der Nacht des 18. August 1977 geriet Stephen Bantu Biko auf dem Weg von Port Elizabeth nach Kapstadt in eine Straßensperre. Rund um die Kleinstadt Grahamstown ließ die Polizei alle Straßen überwachen, weil sie Hinweise bekommen hatte, daß der international bekannte Führer der Black-Consciousness-Bewegung den Ort passieren würde. Stephen Biko wurde festgenommen und aufgrund der geltenden Terrorismusgesetze wochenlang in Haft gehalten.

26 Tage später, am 12. September 1977, erlag der 30jährige in einer Zelle in Pretoria schweren Kopfverletzungen, die ihm noch vor seinem Transport in die Hauptstadt während eines Verhörs beigebracht worden waren. Die offizielle Version des Regimes hieß zunächst, er sei den Folgen eines Hungerstreiks erlegen. „Sein Tod läßt mich kalt“, sagte Polizeiminister Jimmy Krüger vor applaudierenden Parteikollegen.

Die Nachricht von Bikos Tod führte in den schwarzen Townships zu Aufruhr und löste weltweit Empörung aus. Die Regierung mußte dem Druck nachgeben und eine Untersuchungskommission einsetzen. Deren Bericht zufolge hatte sich Biko die schwere Gehirnverletzung selbst zugefügt. Eine Beteiligung der Polizei sei auszuschließen.

Erst jetzt, mehr als 20 Jahre später, werden die Täter möglicherweise zur Rechenschaft gezogen. Südafrikas Wahrheitskommission hat den Amnestieantrag von vier früheren Geheimpolizisten, die damals die Verhöre geführt haben, abgelehnt. Zur Begründung erklärte der für Amnestierung zuständige Ausschuß der Kommission, die Täter hätten nicht die volle Wahrheit gesagt und außerdem nicht den Nachweis erbracht, daß die Tat politisch motiviert war. Beides ist Voraussetzung, damit Amnestie gewährt wird.

Die vier Polizisten, von denen einer kürzlich verstorben ist, waren der Sprachregelung der Apartheidregierung treu geblieben: Biko sei selbst an seinen Verletzungen schuld. Das glaubte die Kommission nicht. Sie wirft ihnen vor, ihre Aussagen abgesprochen zu haben. Ihnen sowie einem weiteren Polizisten, dem bereits im letzten Jahr die Amnestie im Fall Biko verweigert worden war, droht nun möglicherweise eine Anklage vor Gericht.

Genugtuung bedeutet die Entscheidung vor allem für Bikos Familie, die stets einen Prozeß gefordert hatte. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Bikos Sohn gestern. „Damit wird endlich Gerechtigkeit walten.“ Die Familie gehört zu einer ganzen Reihe von prominenten Apartheidopfern, die strikt gegen die weltweit beispiellose südafrikanische Amnestieregelung war. Im Zweifelsfalle bedeutet sie, daß die Mörder von gestern frei herumlaufen.

Welch schwierige Gratwanderung die Entscheidungen des Amnestieausschusses sind, wurde gestern mit der Bekanntgabe weiterer Entscheidungen deutlich. Mehrere prominente frühere Kollegen der Biko-Mörder nämlich kamen mit ihren Amnestieanträgen für eine Reihe von Morden an Oppositionellen durch, etwa den an dem bekannten Aktivisten und Arzt Fabian Ribeiro im Jahr 1986. Sie können nun nicht mehr vor Gericht belangt werden. Kordula Doerfler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen