: Amerikanischer Freund
■ Wim Wenders hat mit „Buena Vista Social Club“ den Film zum Soundtrack gedreht
Vom Schuhputzer zum Plattenmillionär, und das im Alter von siebzig Jahren. Verarmt und vergessen, schlug sich Ibrahim Ferrer, einst ein berühmter Interpret des kubanischen Son, auf Havannas Straßen mit Schuhcreme und Bürste durch. Das Wunder, das dann geschah, verdankt Ibrahim Ferrer weniger dem Heiligen Lazarus, dessen Figur auf dem Kühlschrank seiner Wohnung thront, und den er ehrfürchtig-liebevoll mit kleinen Gaben versorgt. Das Wunder hört auf den Namen „Buena Vista Social Club“.
Für den Film zur gleichnamigen Platte begleitete Wim Wenders seinen amerikanischen Freund, den Gitarristen Ry Cooder, nach Kuba, wo dieser vor drei Jahren einige ergraute Legenden der kubanischen Musik zur Session zusammengetrommelt hatte. Die Aufnahme wurde ein Welterfolg. Die Bilder liefert Wim Wenders jetzt nach. Mit der Handkamera hat Wenders die Musiker verfolgt, zu Hause und bei Auftritten im Ausland. Oft sind die Handycam-Bilder grobkörnig und verwackelt, suggerieren Nähe. Fast beiläufig mitgefilmt soll das wirken, doch ist es dramaturgisch stringent komponiert. Es beginnt auf der Bühne in Amsterdam und endet zwei Monate später mit dem Höhepunkt der Erfolgsstory, einem Konzert in der Carnegie Hall in New York.
Die Kamera ist ständig in Bewegung, heftet sich an Ry Cooder und seinen Sohn Joachim, wie sie per Motorradgespann durch die Straßen Havannas fahren, beobachtet die Musiker bei der Probe, umkreist die Sänger beim Duett am Mikrophon. Der Pianist Ruben Gonzales klimpert, in einem weiträumigen Saal inmitten übender Ballettschülerinnen, und Ibrahim Ferrer schlendert durch den Park, erzählt mit verschmitztem Staunen seine unglaubliche Geschichte.
Viele Musiker haben an „Buena Vista Social Club“ mitgewirkt, viele Geschichten ranken sich darum. Wo sich einst der reale „Buena Vista“-Gesellschaftsclub befand, wissen nur noch ein paar ältere Anwohner. Das neue Kuba deutet sich in Konturen an, mit Armut und ersten Anzeichen gesellschaftlichen Auseinanderdriftens. Unruhig die Wellen, die an Havannas verfallende Uferpromenade branden. An einer Häuserwand steht, mit dicken Pinselstrichen: „Wir glauben an unsere Träume.“
Für Kubas Musikerelite, die staunend durch die Häuserschluchten New Yorks tapert, erfüllt sich spät der amerikanische Traum. Von Kuba selbst verabschiedet sich die Kamera mit gemischten Gefühlen. Daniel Bax
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