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Grimassen, verwackelt

■ Nina beim Wassertrinken: Peter Sempels Nina-Hagen-Hommage

Könnte ein bißchen anstrengend sein“, meinte Peter Sempel vor der Aufführung seines Dokumentarfilms über Nina Hagen. Einen Halbsatz weiter allerdings irrte er bereits: „Aber ich denke, es lohnt sich.“ Tut es aber nicht.

Sempel selbst hatte einen „spielerischen Dokumentarfilm“ angekündigt. Was er darunter versteht, macht er seit bald 20 Jahren: ein Aneinanderreihen von Szenen, die flackern und überbelichtet sind, verwackelt, verfremdet oder quergestellt. Als Sempel anfing, nannte man das künstlerisch. Daß man sich bei einem Sempel-Film von üblichen Sehgewohnheiten verabschieden muß, ist klar. Trotzdem aber möchte man bei einem Dokumentarfilm über eine Person etwas erfahren. Statt dessen sehen wir: Hagen, wie sie indische Musik nachmacht, wie sie italienische Musik nachmacht, wie sie Opern nachmacht. Hagen beim Schminken, beim Wassertrinken. Hagen auf der Bühne und schon wieder beim Wassertrinken. Und vor allem sehen wir: Hagen beim Grimassenschneiden und Stimmeverstellen. Zugegeben: lustige Grimassen, lustige Stimmen. Aber: 112 Minuten lang erfahren wir nichts über die Person Hagen.

Auch die Freunde und Kollegen tragen nicht viel bei: Nina ist toll, kann gut singen und spinnt, sagen Lemmy, ThomasD., George Clinton, DeeDee Ramone oder Udo Kier. Stimmt ja auch. Vielleicht hätte Sempel sie mal was fragen sollen. Im Hintergrund läuft mehr Musik von Nick Cave als von Nina Hagen, und Blixa Bargeld singt auch einmal sehr schön. Eine Freundin immerhin sagt: „Sie ist verletzlich hinter der Schminke.“ Vielleicht weiß Sempel ja, was hinter der Schminke ist. Uns erzählt er es nicht.

Im Foyer stand Nina Hagen mit bunten Bändern im Haar und freute sich wie ein Kind, daß jemand einen Film über sie gemacht hat. Das hat sie ja auch verdient. Diesen Film aber, den hat sie nicht verdient. Thomas Winkler

Panorama, heute, 23 Uhr, Filmpalast

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