: Wahlverwandtschaften
■ Etwas andere USA-Geschichte: Robert Altmans "Cookie's Fortune"
Kriminaltechnisch ist die Sache längst verjährt, doch gentechnisch wurde sie jetzt noch einmal aufgerührt. Ins Rollen brachte sie die Bestsellerautorin und Künstlerin Barbara Chase-Ribaud. Zwanzig Jahre ist es her, daß sie mit ihrem ersten Roman, „Sally Hemings“, auf den Titelseiten der New York Times und der Washington Post heftig attackiert wurde. Sie hatte – interessanterweise mit der engagierten Unterstützung ihrer Lektorin Jackie Onassis – eine präsidiale Liebschaft veröffentlicht.
Just jener berühmte Thomas Jefferson (1743–1826), dessen Nachname ein anderer, aktuellerer präsidialer Schwerenöter in dem seinen führt, wurde von ihr eines Verhältnisses mit der Schwester seiner verstorbenen Frau überführt, aus dem auch Kinder hervorgingen. Prekär nur, daß Sally Hemings nicht allein die (Halb-)Schwester seiner Frau, sondern zugleich schwarze Sklavin auf – und in – Jeffersons Besitz war. (Daß es Chase-Ribauds Recherchen in sich haben, weiß übrigens auch Steven Spielberg, den es eine Million Dollar gekostet haben soll, daß sie ihre Plagiatsklage gegen „Amistad“ zurückzog.) Zu Beginn dieses Jahres veröffentlichte genetische Untersuchungen jedenfalls bestätigten die Autorin.
Diese Geschichte: Wouldn't Shakespeare have been in love with it? Auch Robert Altman, natürlich, mag, was andern so mißfällt. Nein, es ist nicht genau diese verbotene Liebe aus den Zeiten, da die Vereinigten Staaten von Amerika (samt dem Staat Virginia) gerade erfunden wurden, die er in „Cookie's Fortune“ erzählt. Es ist eine modernere Variante darüber, daß niemand in Amerika sichergehen kann, wirklich schwarz oder wirklich weiß zu sein. Und sie ist, anders als „The Gingerbread Man“, Altmans letztjähriger Berlinale-Beitrag, voll wettbewerbsfähig.
Zunächst aber sehen wir: Die zwei Polizisten, die uns auf ihrer nächtlichen Autorunde durch den kleinen Ort Holly Springs mit dem dramatischen Personal seiner Comedy of manners bekannt machen, sind ganz klar weiß. Der schwere Mann wiederum, der den Blues und Wild Turkey Burbon liebt, ist eindeutig schwarz, während die gestrenge Dame, die in der Presbyterianerkirche eine von ihr gereinigte Fassung von Oscar Wildes „Salomé“ probt, so hellhäutig rotblond ist wie weiland Isolden. Doch es hilft nichts: Kaum sind wir mit Willis Richland (Charles S.Dutton), seiner hinreißenden Lady, der Witwe Mrs. Jewel Mae „Cookie“ Orcutt (Patricia Neal), deren Nichten Camille Dixon (Glenn Close) und Cora Duvall (Juliane Moore) sowie deren Tochter Emma Duvall (Liv Tyler) bekannt, ist nichts mehr so, wie es scheint. Vor allem der Mord an Mrs. Cookie gibt dem zugereisten Ermittler einiges zum Nachdenken auf, während der örtliche Polizeioffizier weiß: Willis Richland kann nur unschuldig sein, denn schließlich kennt er ihn vom Fischen. Das läßt sich von Camille nicht sagen, und so sitzt vor allem sie am Ende in der Bredouille, derweil die Verwandtschaftsbeziehungen immer komplizierter werden.
„Cookie's Fortune“ ist Altman, und alles wird gut. Ein gelassenes, spöttisches Alterswerk. Mit hinterhältigem, doch gutgelauntem Witz nimmt sich Altman Bigotterie und Rassismus an, erzählt im Kleinen die Geschichte, die im Großen die von Jefferson ist, eine Gründungsgeschichte der Vereinigten Staaten. Und erstaunlicherweise denunziert er keine seiner Figuren, die er so verschwenderisch wie üblich aufmarschieren läßt. Im bekannten Perspektivwechsel fügt er die Fäden seiner Erzählung mit meisterhafter Präzision zusammen. Sein Blues ist milde, und die pessimistische Note fehlt ihm ganz und gar. Vielleicht ist „Cookie's Fortune“ Altman in Bestform. (Seine Schauspieler mit Ausnahme von Lyle Lovett jedenfalls präsentieren sich so.) Weil es freilich so ungewohnt ist, ihn so nachsichtig und heiter gestimmt anzutreffen, weiß man nicht, ob der Schein nicht schon wieder trügt. Freilich gibt zu denken, daß das gelbe Plastikband, das den Ort des Verbrechens markiert, ständig weggeräumt wird. Etwas vorschnell von Camille und ganz besonders liebevoll von Emma und ihrem Liebhaber, die es bei ihrem Quickie unabsichtlich hinter sich herziehen. Brigitte Werneburg
Regie: Robert Altman. Mit Glenn Close, Juliane Moore, Liv Tyler, Chris O' Donnel. Heute, 12 Uhr und 20 Uhr, Zoo Palast. Am 21.2.: 12 Uhr Royal Palast, 18.30 Uhr Urania, 22.30 Uhr International
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