Press-Schlag: Duell ohne Spielmacher
■ Herthas Wosz gegen Dortmunds Möller
Ausnahmsweise heißt es nach dem Spiel von Hertha BSC gegen Borussia Dortmund mal nicht „3:0 für Berti“. Schließlich hat Vogts den Berliner Dariusz Wosz auch nicht aufgestellt, dafür aber sehr wohl Andreas Möller. In Frankreich ist der Bundestrainer dann zu der Erkenntnis gekommen, daß Möller wohl kein Spielmacher von Weltklasse ist, was seinen Nachfolger Erich Ribbeck natürlich nicht hinderte zu glauben, daß Möller ein Spielmacher von Weltklasse ist. Selbst dem Teamchef scheinen mittlerweile Zweifel gekommen zu sein, statt dessen glaubt er nun, daß Stefan Effenberg ein Spielmacher von Weltklasse ist. Zum Glück ist es ziemlich egal, was Erich Ribbeck glaubt.
Der Kern des Problems liegt eher darin, daß in Deutschland bisher kaum jemand gemerkt hat, daß der Spielmacher mausetot ist. Die Beharrlichkeit, mit der hierzulande bis zum WM-Finale an Zinedine Zidane herumgemäkelt wurde, weil der nicht ordentlich das Spiel der Franzosen dirigierte, spricht Bände. Anerkennung gab es erst, als Zidane im Endspiel seinen Kopf zufällig zweimal an der richtigen Stelle geparkt hatte. Folgerichtig hauen alle auf den armen Möller ein, weil er in Florida nicht in der Lage war, einem Team von Standfußballern durch spektakuläre Einzelaktionen Genialität einzuhauchen. Niemand sagt allerdings, was er hätte tun sollen. 80-Meter-Pässe auf Marschall schlagen? Oliver Kahn im eigenen Strafraum den Ball wegnehmen und damit allein in Gegners Tor laufen, wie weiland Maradona? Das wäre ungefähr genauso unsinnig wie die Idee, Matthäus als Libero aufzustellen.
Möller ist immer dann gut, wenn er einen kongenialen Partner hat, der ihm den Platz schafft, welchen sein Spiel braucht: Uwe Bein in Frankfurt, Roberto Baggio in Turin, Matthias Sammer oder Paulo Sousa in Dortmund. Ein solcher Mitspieler fehlt sowohl in der Nationalmannschaft als auch im Verein, und so war das angebliche „Duell der Spielmacher“ in Berlin von vornherein entschieden. Fußballmatches werden längst nicht mehr von einzelnen Personen geprägt, sondern von Systemen. Mittelfeldakteure der Extraklasse sind heute Arbeitsbienen wie Seedorf, Davids, Verón, Djorkaeff, Jarni, Beckham oder eben Wosz. Dauerläufer, die in der Defensive ackern, ständig anspielbar sind und dennoch genug Spielwitz haben, um durch überraschende Finten und präzise Pässe dem Angriffsspiel ihres Teams entscheidende Impulse zu geben. Genau das tat Dariusz Wosz beim 3:0 der Hertha gegen Dortmund. Er war nie zu kontrollieren, oft am Ball, Ausgangspunkt gefährlicher Aktionen und an zwei Toren beteiligt. Ein Spielmacher allerdings war auch er nicht, sondern nur das wichtigste Glied in einem gut organisierten Team. In der Nationalmannschaft könnte er so die ideale Ergänzung zu einem gewissen Möller sein. Uli Stielike war im Olympiastadion. Aber der sagt ja nichts mehr. Matti
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