: Ein neuer Machtkampf steht bevor
Ende des Monats wird über eine Verlängerung des UNO-Mandats für die Zentralafrikanische Republik entschieden. Die UN-Präsenz nützt zuerst dem Präsidenten ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Die derzeit größte UN-Blauhelmmission in Afrika geht unruhigen Zeiten entgegen. Demnächst wird in der New Yorker UNO-Zentrale entschieden, ob das Mandat der 1.620 Blauhelme in der Zentralafrikanischen Republik über Ende Februar hinaus verlängert wird. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat dies empfohlen, kann sich aber der Unterstützung des Sicherheitsrats nicht sicher sein. Währenddessen mehren sich die Anzeichen, daß in dem konfliktgeschüttelten und bitterarmen Land im Herzen Afrikas der nächste gewaltsame Machtkampf bevorstehen könnte.
Ausgangspunkt der neuen Spannungen sind paradoxerweise die Parlamentswahlen, die im November und Dezember 1998 unter UN-Überwachung stattfanden und wegen der UN-Präsenz friedlich und größtenteils fair abliefen. Für die drei Millionen Bewohner war dies ein willkommener Fortschritt nach mehreren Jahren politischen Konflikts zwischen der Regierung von Präsident Ange-Felix Patassé und seinen Gegnern. Mehrere Meutereien in der Armee, die anders als die Präsidialgarde mehrheitlich aus Anhängern des 1993 abgewählten Militärdiktators André Kolingba besteht und zusammen mit der politischen Opposition Patassé Korruption und Tribalismus vorwirft, hatten das Land an den Rand des Bürgerkrieges gebracht. Erst die Intervention einer afrikanischen Friedenstruppe, die im April 1998 zu einer UN-Truppe erweitert wurde, stoppte den Krieg. Neue freie Wahlen abzuhalten war eines der wichtigsten Ziele der UN-Mission.
Aber unter UN-Schirmherrschaft wählten die Zentralafrikaner so frei, daß keines der beiden politischen Lager die Mehrheit erzielte. Wochen des Geschachers und mutmaßlichen Stimmenkaufs im von unkrautüberwucherten Plätzen umsäumten Parlamentsgebäude am Rande der Hauptstadt Bangui endeten zu Jahresende 1998 damit, daß die Präsidentenpartei „Befreiungsbewegung des Zentralafrikanischen Volkes“ (MLPC) auf die Loyalität von 55 Abgeordneten bauen konnte – gegen 54 für die Opposition. Die boykottiert seitdem das Parlament, während die Partei Präsident Patassés seelenruhig ihre Regierungsgeschäfte allein durchzieht. An die Stelle der bisherigen Allparteienregierung – Relikt der Friedensabkommen, die die Armeemeutereien beendeten – trat eine Regierung fast nur aus MLPC-Politikern, in der auch präsidententreue Militärs sitzen.
Daß die Bemühungen der UNO um politische Stabilität mit einer faktischen Monopolisierung der Macht enden, wo doch die Geschichte der Zentralafrikanischen Republik mehrfach die Instabilität eines solchen Zustandes unter Beweis gestellt hat, bereitet der UNO Kopfzerbrechen. Zumal die Regierung nun offenbar auch die von der UNO geforderten Armeereformen schleifen läßt. Patassés Präsidialgarde, die eigentlich in Bangui nicht bewaffnet herumfahren darf, hat in den letzten Wochen nach Oppositionsangaben mehrfach politische Versammlungen der Opposition verhindert und half auch der Armee des bedrängten Laurent Kabila aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo, als der über das an der gemeinsamen Grenze liegende Bangui Soldaten in den umkämpften Norden seines Landes verlegte.
Wäre die UNO nicht massiv in Bangui stationiert, gäbe es wohl längst wieder bewaffnete Auseinandersetzungen, denn die ehemaligen Armeemeuterer der Opposition warten nur auf eine Gelegenheit, erneut zuzuschlagen. Auch Patassé hat gemerkt, daß die UN- Präsenz ihm eigentlich nützt, indem sie seine Gegner ruhig hält. Am 23. Januar sprach Patassé der UNO in einem Brief seine „tiefe Dankbarkeit“ für ihren Einsatz aus.
Doch je weiter die Macht in der Zentralafrikanischen Republik im Umfeld des Präsidenten konzentriert wird, desto geringer wird das Interesse des UN-Sicherheitsrates an einer Verlängerung des Blauhelmmandats sein. Kofi Annan will, daß die UNO bis Ende August bleibt – im August sollen Präsidentschaftswahlen stattfinden. Anders als die Parlamentswahlen entscheidet die Präsidentschaftswahl über die zukünftige Macht im Staate, und daher dürfte sie nach bisherigen Erfahrungen von Unruhe begleitet sein. Die Opposition, die sich für diese kommenden Wahlen verdächtig siegessicher zeigt, könnte ohne UNO geneigt sein, ihrem Wahlsieg militärisch nachzuhelfen.
Wie immer vermuten einheimische Beobachter die Hand der ehemaligen und noch heute einflußreichen Kolonialmacht Frankreich hinter der jetzigen Entwicklung. Frankreich stützt die UN- Mission logistisch, zeigt an ihrer Verlängerung jedoch wenig Interesse, was nach der oben dargelegten komplizierten Kette von Überlegungen dem Interesse der Opposition in der Zentralafrikanischen Republik nützen soll. Die Regierung scheint auch davon überzeugt zu sein. Der Afrikaredakteur der französischen Zeitung Libération, Stephen Smith, wurde im Januar in Bangui an der Einreise gehindert und nach Paris abgeschoben, und vor kurzem starb ein bekannter französischer Geschäftsmann in Bangui, als ein Soldat ihm eine Granate ins Büro warf. Die offizielle Erklärung – Spielschulden in einem dem Franzosen gehörenden Kasino – erscheint recht absurd.
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