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Hunger zwingt Nordkoreaner zum Verkauf von Frauen

■ Aus Existenznot verhökern Familien ihre Töchter nach China. Trotz desolater Wirtschaftslage investiert Pjönjang viel Geld in die Entwicklung moderner Waffensysteme

Tokio (taz) – „Seit Mitte 1998 floriert der Handel mit nordkoreanischen Frauen.“ Das teilte unlängst die südkoreanische Hilfsorganisation Buddhist Sharing Movement in Seoul mit. Pro Monat würden etwa 300 Nordkoreanerinnen nach China geschmuggelt und dort für umgerechnet 600 Mark als Bräute verhökert. Das Geld brauchen die von Hunger geplagten nordkoreanischen Familien, um auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel einkaufen zu können.

Seit 1997 flohen über 100.000 NordkoreanerInnen über den Grenzfluß Tumen nach China. Bis vor einem Jahr konnten die Nordkoreaner noch stillstehende Fabriken ausweiden und Alteisen gegen chinesischen Reis tauschen. Doch jetzt müssen Familien in Nord— Korea offenbar ihre Töchter verkaufen, um zu überleben. Bedenklich ist zudem, daß unter internationalen Hilfsorganisationen Berichte kursieren, wonach Teile der seit 1995 an Nord-Korea gespendeten Lebensmittel in Armeedepots und an Kader der Arbeiterpartei gehen statt an Bedürftige.

Solche Nachrichten kontrastieren mit offiziellen Berichten aus Pjöngjang. So hat Nord-Koreas Führer Kim Jong Il jüngst anläßlich seines 57. Geburtstags ein Galadinner veranstaltet und seine treuesten Genossen mit Geschenken im Wert von mehreren Millionen Mark überhäuft. Mit Vorliebe investiert Pjöngjang auch in die Entwicklung moderner Waffensysteme. Die Nachbarstaaten wissen seit dem Abschuß der dreistufigen Taepo-Dong-1-Rakete am 31. August 1998, daß Nordkorea Raketenangriffe auf 4.000 Kilometer entfernte Ziele starten kann. Zugleich ist seit Oktober auch der Verdacht aufgekommen, daß Nordkorea an einem geheimen Atomprogramm weiterarbeitet.

Die Entwicklung von Langstreckenraketen, ist zu einer schweren Belastung für die bisherige Sicherheitsstruktur in Nordostasien geworden. Die USA, Japan und Süd-Korea betrachten dies als direkte Bedrohung und diskutieren intensiv über die Stationierung eines antiballistischen „Schildes“. Dabei handelt es sich um eine verschlankte Version der Star-Wars-Initiative, die der damalige US-Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren als Antwort auf sowjetische Raketen mit Atomsprengköpfen initiierte.

Im Umgang mit dem nordkoreanischen Regime müssen die Nachbarn vorsichtig vorgehen. Pjöngjang verstärkte jetzt die Propaganda gegen die USA und Japan und kündigte einen Test der weiterentwickelten Taepo-Dong-2- Rakete an. Sie soll mehr als 6.000 Kilometer Reichweite haben und auch Ziele in den USA ereichen können. Dort bereitet Ex-Verteidigungsminister William Perry einen Bericht für die Regierung vor. Perry soll Ende Februar auch nach Nord-Korea reisen und eine Baustelle inspizieren, die gemäß des US-Geheimdienstes Teil des Atomprogramms ist. Bisher verlangte Pjöngjang kategorisch 300 Millionen Dollar für eine Inspektion. Dies wurde von den USA als Erpressung zurückgewiesen. Ende Februar beginnen in New York neue Gespräche. Washington hofft, daß Pjöngjang bereit ist, die Baustelle für eine Inspektion zu öffnen. Für die hungernden Nordkoreaner wäre ein Entgegenkommen des Regimes ein Segen. Japan und die USA haben nämlich angedeutet, dann ihre Lebensmittelhilfen aufzustocken. André Kunz

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