„Für die Jüngeren sind wir Geschichte“

■ Eva Rühmkorf, erste Chefin der „Leitstelle Gleichstellung der Frau“, über Staatsemanzen, SPD-Männer und autonome Gruppen

taz: Als die Leitstelle 1979 ihre Arbeit aufnahm, gab es keine Erfahrungen, auf die Sie zurückgreifen konnten. Wie haben Sie angefangen?

Eva Rühmkorf: Unsere Strategie basierte auf einem Überraschungseffekt. Wir haben kompetenter getan, als wir waren, haben uns immer an die Ranghöchsten gewandt mit der Anspruchshaltung: Was wir machen ist politisch gewollt. So konnten wir uns Schritt für Schritt Strukturen erarbeiten.

Und inhaltlich?

In den ersten Jahren mußten wir zunächst die Ungleichheit dokumentieren und darüber aufklären. Es war zu keinem Thema Material vorhanden – zum Beispiel nach Geschlechtern getrennte Statistiken. Dabei machten wir die Erfahrung, daß wir die Männer, mit denen wir sprachen, immer auch angriffen. Wir mußten lernen, auszuhalten, daß wir mit feministischen Positionen Spannungen erzeugten.

Wie stand es um die Zusammenarbeit mit autonomen Frauengruppen?

Die meisten Frauenprojekte reagierten zunächst ablehnend. Wir wurden als „besoldete Staatsemanzen“ angesehen. Autonome Frauen, die auf außerparlamentarische Arbeit setzten, hatten die Sorge, daß sie durch uns ruhiggestellt werden sollten. Aber wir haben den Projekten die Arbeit ja nicht weggenommen, sondern uns als institutionalisierte Lobby für sie verstanden.

Hat diese Zusammenarbeit Sie beeinflußt?

Ich bin feministischer geworden. Am Anfang interessierten mich als linke Sozialdemokratin vor allem die Fragen der Chancengleichheit im Beruf und der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen. Im Laufe der Zeit habe ich begriffen, daß es einen strukturellen Widerspruch gibt zwischen dem Patriarchat und dem Feminismus. Bei den SPD-Politikern war das Bewußtsein vorhanden, daß der Umbruchstimmung der Frauen nachgegeben werden muß – aber im eigenen Interesse, um gewählt zu werden.

Was hat sich in 20 Jahren Gleichstellungsarbeit verändert?

Vieles, was wir damals vertraten, ist heute Allgemeingut; vieles haben die Menschen einfach begriffen.

Eine Folge davon ist, daß viele jüngere Frauen und Mädchen vom Feminismus nicht mehr viel wissen wollen. Enttäuscht Sie das?

Nein. Die Frauenbewegung vollzieht sich ja in Wellen. Für die jungen Frauen sind wir schon Geschichte; die sagen zu unseren damaligen Themen zu Recht: Das haben wir doch alles schon, was sollen wir da kämpfen? Aber es wird sicherlich wieder eine Bewegung geben, die dann auf dem Sockel, den wir errungen haben, neu anfangen kann – genauso, wie wir auch schon Vorkämpferinnen hatten.

Was ist notwendig für die Zukunft der Gleichstellungsarbeit?

Die Strukturen, die bis jetzt geschaffen worden sind, müssen abgesichert werden. Es darf keinen Rückschlag geben, auch nicht durch die arbeitsmarktpolitisch schwierige Lage.

Fragen: Karen Schulz