Nicht mal Sonnenauf-gänge dauern ewig

■ Die Gitarrenpopper von „Nolte“ und „Miles“ spielten im Tower Schulparty

Die Versuchsbedingungen waren ja eigentlich perfekt. Leicht zu erheiternde Gemüter hatten den Sonntag bereits zum ersten Frühlingstag erkoren, Deutschlands Fernseher spielen derzeit dreimal täglich „Pretty Day“ von Miles, die wiederum von der gesammelten Journaille zur Band der Stunde gekürt wurden. In Spex-Kreisen war gleich von einem Meilenstein einheimischer Popmusik die Rede. Und Popmusik ist schließlich der reine Ausdruck ebenso reinen Hedonismus', gebe der sich nun stumpf ungebrochen und blauägig oder für Fortgeschrittene mit serienmäßig integrierter Ironie überzogen. Lebenslust, um es mal ganz einfach zu formulieren.

Auch die Vorgruppe, die Miles für eine paar Tage begleitete, schlug nicht aus der Art. Ausgerechnet „Nolte“ hatten vier junge Leute aus (ausgerechnet) Münster ihre Band genannt. Das erinnert spontan schlimm an die CDU und ihre Ex-Familienministerin, aber in Wirklichkeit sind Nolte eher daran interessiert, Evan Dando zu sein, beziehungsweise halten sie amerikanische Gitarrenmusik von Lemonheads bis Sonic Youth für so ziemlich das Größte überhaupt. Damit sind sie natürlich im Jahre 1999 recht spät dran, vielleicht ja aber auch nur ein wenig zu früh, jedenfalls machte der Vergleich mit Miles schnell klar, was eine Genre-Band wie Nolte von einem Hype-Thema trennt.

Miles nämlich sind, und es ist völlig unerheblich, ob sie das nun zufällig sind oder aus jemandes berechnender Absicht, von vorne bis hinten Konstrukt. Vier Jungs, wie sie in jeder Oberschule zuhaus sind, wo sie auf Schulparties spielen, aber trotzdem am nächsten Morgen pünktlich in der ersten Stunde sitzen, auch wenn sie dort nur mit dem Verfassen von Zeilen wie „sunrise doesn't last all morning“ beschäftigt sind. Dann schreiben sie den perfekten Popsong, immer wieder, und wenn einer besonders gelungen ist, dann machen sie eben gleich drei davon. Die Blaupausen sind von Franz-Josef Strauß seinerzeit günstig an Südafrika verhökert worden, kommen aber aus den vereinigten Staaten und dem nämlichen Königreich, wurden dort bereits nach dem großen Erfolg der Beatles in Serie gegeben und sind wie ein kleines deutsches Auto, denn sie laufen und laufen und laufen ...

Aber sage keiner, das könne deshalb gleich ein jeder und eine jede! Die Songs von Miles sind nämlich wirklich Lehrstücke, was die Balance von Reduktion und Ambition angeht. Leichtfüßig schwingen sich die Melodien über ebenso schlichten wie effektvollen Kadenzen auf, wird beherzt gerockt und unverschämt das Naheliegende getan, wenn der Song 'I Can Hear Music' heißt.

Ob aus solchen Menschen in Zeiten wie diesen Popstars werden können, erscheint fraglich. Schließlich war der Tower trotz rotierender Clips der Gitarrenpopper nur mäßig gefüllt.

Und wo bleibt eigentlich die Eignung zur Projektionsfläche, wenn der einzige Song, der so etwas wie ein authentisches Element besaß, dadurch, daß Tobias Kuhn davon sang, wie es ist, in den 70ern geboren zu sein, erbarmungslos scheiterte, weil er eben alles negierte, was die Band in der knappen Stunde zuvor an heiler und makelloser Popwelt hatte erstehen lassen?!

Zugegeben, eine unmaßgebliche Frage, denn was schließlich groß als POP explodiert, war noch nie vorherzusagen, sonst wäre ich gerade sicherlich eher genau damit beschäftigt, mittlerweile längst reich und höchstens noch aus Liebhaberei mit dem Verfassen von Konzertberichten über Bands beschäftigt, die ... Lassen wir das. War ein nettes Konzert. Eigentlich ganz okay für einen Sonntag im Februar. Andreas Schnell