: Tough and tender für Gerechtigkeit
■ Helga Seibert
„Daß eine Bürgerrechtsorganisation eine Oberste Richterin ehrt, mag Ihnen ungewöhnlich erscheinen“, schrieb die Humanistische Union an die diesjährige Trägerin ihres Fritz-Bauer-Preises. Aber doch auch folgerichtig: Denn in den neun Jahren, in denen Helga Seibert Richterin am Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts war, ging es ihr nicht zuletzt darum, dem einzelnen zu seinem Recht zu verhelfen. Mit stiller Autorität hat Seibert oft linksliberale Positionen in den geheimen Senatsberatungen durchgesetzt. „Tough and tender“ nannte Gerichtspräsidentin Jutta Limbach das bei Seiberts Verabschiedung im vergangenen September, als die damals 59jährige wegen schwerer Krankheit das Gericht verlassen mußte.
Außer der allgemeinen Mitentscheidung im Senat war Seibert als Berichterstatterin für das Familienrecht zuständig. In ihre Amtszeit fallen wichtige Beschlüsse zur Gleichberechtigung. Außerdem kümmerte sie sich um die Gleichstellung nichtehelicher Kinder und darum, den Familienbegriff zeitgemäßer zu definieren.
Ihren Einfluß in ihrem als fortschrittlich geltenden Senat erklären Karlsruher Beobachter nicht nur mit „beängstigender Intelligenz“ und fast asketischem Fleiß, sondern vor allem auch mit einem Glücksfall in ihrer Biographie. Anders als viele Richter, die sich erst völlig neu einarbeiten müssen, kam Seibert schon als Fachfrau nach Karlsruhe. Als gut dreißigjährig wurde sie Mitarbeiterin des damaligen Verfassungsrichters Martin Hirsch. Vor ihrer SPD-Nominierung als Verfassungsrichterin hatte sie im Grundrechtereferat des Bonner Justizministeriums 15 Jahre lang alle Gesetze daran überprüft. Die juristischen Argumente für ihre Positionen konnte sie deshalb oft aus dem Stand zitieren und war dadurch den Kollegen in den Senatsberatungen oft eine Nasenlänge voraus. Dabei ging es ihr aber meist um eine rein rechtliche Perspektive.
Gerade diese Zurückhaltung ist aber – neben dem familienrechtlichen Engagement – für die Humanistische Union (HU) ein Grund für die Preisverleihung, als Zeichen für Seiberts Willen, das Grundgesetz zu wahren und zugleich weiterzuentwickeln. Der Fritz-Bauer-Preis wird an Menschen vergeben, die sich um Gerechtigkeit und Menschlichkeit in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Strafvollzug bemühen. Gudula Geuther
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen