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Minidocumenta im Viertel

■ In einem Ladenlokal präsentieren sich ab heute Bremer, Ex-Bremer und Nichtbremer KünstlerInnen und MusikerInnen

An der Hochschule lernt man fürs spätere Leben. Nach ein paar Semestern schon weiß die Metzgerstochter, wie man formschöne Blinddarmnarben stickt. Der vergrübelte Einzelgänger hat Philosophie belegt und weiß nun, daß er nichts weiß, was er eh schon lange wußte. Und den BetriebswirtInnen von morgen schließlich ist spätestens nach dem Vordiplom klar: Das, was gut für die Firma ist, ist zwar nicht unbedingt gut für den Rest der Welt – aber wen interessiert schon der Rest der Welt?

Fehlen in unserer kleinen unrepräsentativen Sammlung noch die KünstlerInnen. Was lernen die an der Hochschule? „Wenn Du nicht ausstellst und nichts verkaufst, bist Du nicht erfolgreich“, sagt Derk Claassen. Der muß es wissen, hat er doch schon einige Semester freie Kunst an der Hochschule für Künste (HfK) hinter sich. Aber bekanntlich halten sich nur die Spröden und Öden an das, was ihnen ProfessorInnen auf den Weg geben. Die Zarten und nicht bloß Smarten hingegen suchen nach Möglichkeiten, auch jenseits dieser Wettkämpferideologie Räume zu schaffen, die es guten KünstlerInnen erlauben, ihre Arbeiten zu zeigen, selbst wenn ihre Vita keine beeindruckende Ansammlung von Galeriennamen aufweist und ihr Freundeskreis sich nicht vorwiegend aus gutbetuchten Mäzenen rekrutiert.

Gemeinsam mit einigen MitschülerInnen aus der Klasse des HfK-Professors Rolf Thiele will Derk Claassen nun in Bremen ein Netzwerk gleichgesinnter KünstlerInnen schaffen. Zumindest ist das die Idee des Projekts „KURZSCHLUSS“, das sich im gesamten Monat März in einem ehemaligen Ladenlokal an der Wulwesstraße 1A abspielen wird. Bildende KünstlerInnen und MusikerInnen aus Bremen werden dort gemeinsam mit KollegInnen, die mal in Bremen tätig waren und solchen, die persönliche Kontakte zur hiesigen Szene haben, bis Ende März ihre neuesten Arbeiten zeigen.

Alle vier Tage, so die Idee, wechselt die Ausstellung, so daß innerhalb kurzer Zeit ein breiter Überblick über das Schaffen von annähernd zwanzig verschiedenen bildenden KünstlerInnen möglich wird. Auftritte von DJs und Bands ergänzen das Projekt. KURZSCHLUSS soll jungen bemerkenswerten KünstlerInnen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen außerhalb des Galerienrampenlichts bewegen, ein Forum bieten. Zugleich hofft Claassen, daß das Projekt neue Kontakte enstehen läßt und später NachahmerInnen in und außerhalb Bremens finden wird. Daß an KURZSCHLUSS KünstlerInnen von HfK und der Uni Bremen beteiligt sind, wertet Classen schon als ersten Erfolg in diese Richtung. Denn bisher, sagt Claassen, gibt es trotz gemeinsamer Interessen keine Querverbindungen zwischen diesen Gruppen. „Das hat schon den Charakter einer schlechten und immer wieder beklagten Tradition, die wir gern aufbrechen wollen.“

Auch wenn das Programm schon steht, ist das Projekt noch offen für interessierte MusikerInnen. Sie können sich in der Wulwesstraße melden. Zum Auftakt zeigen Michael Fesca und Derk Claassen vier Tage lang ihre jüngsten Arbeiten. Fesca macht Fotos von BesucherInnen und projiziert sie so an die Wand, daß sie sich überlagern, so daß neue Personen entstehen. Claassen zeigt eine Installation mit jeweils zwei Beamern und Kameras, die sich mit dem Phänomen der Rückkoppelung beschäftigt. zott

Das Projekt „KURZSCHLUSS“ läuft bis zum 31. März und wird heute in der Wulwesstraße 1A um 19 Uhr mit den Ausstellungen von Michael Fesca und Derk Claassen sowie dem Auftritt der DJs „Püs Narkotisch Soundsystem“ eröffnet. Die weiteren KURZSCHLUSS-Termine stehen in unserer Tagesübersicht.

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