: Wie Schildkröten, die auf dem Rücken liegen
■ Bei den städtischen Kliniken besteht Reformbedarf. Gewerkschaften, PDS und große Teile der SPD wollen die Zusammenfassung in einen Landeskrankenhausbetrieb, Gesundheitssenatorin und CDU die Umwa
Sie kämpfen auf unterschiedlichen Seiten, aber hier stimmen sie überein. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt, meinen Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) und der grüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl, um über die Zukunft der städtischen Kliniken zu debattieren. Doch die Debatte wird forciert – und diesmal nicht von den Privatisierungsbefürwortern.
Ganz im Gegenteil: Die Front derer, die die städtischen Kliniken nach dem Hamburger Modell (siehe Text unten) in einen Landeskrankenhausbetrieb zusammenfassen und ihn als Anstalt öffentlichen Rechts betreiben wollen, wird größer. Die Gewerkschaften und immere größere Teile der SPD favorisieren diese Idee, die PDS hat bereits einen entsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht. „Berlin hat diese Entwicklung verschlafen“, sagt ÖTV-Vize Ernst-Otto Kock. Deshalb seien die städtischen Häuser nun dem Sparzwang ausgeliefert – „wie Schildkröten, die auf dem Rücken liegen“.
Daß bei den städtischen Krankenhäusern Reformbedarf besteht, ist unbestritten. Schließlich haben sie 1997 41 Millionen Mark Miese gemacht, im vergangenen Jahr hat sich wahrscheinlich – genaue Zahlen liegen noch nicht vor – ein Gesamtdefizit von bis zu 90 Millionen angehäuft. Allerorten werden fehlende Zusammenarbeit und Unflexibilität der Krankenhäuser beklagt.
Betroffen von der Strukturdebatte sind zehn Krankenhäuser mit 25.000 MitarbeiterInnen und mehr als 9.000 Betten, die in städtischer Trägerschaft sind. Für das elfte, das Klinikum Buch, hat der Senat die Privatisierung beschlossen. ÖTV und DGB wollen aber das Krankenhaus Moabit und das Max-Bürger-Zentrum, inzwischen gemeinnützige GmbHs, mit einbeziehen.
Es sind im wesentlichen vier Gründe, die aus gewerkschaftlicher Sicht für einen Landeskrankenhausbetrieb sprechen: Erstens bleibt der Einfluß des Landes auf die Kliniken erhalten, die vielfach kritisierte Interessenkollision der Gesundheitsverwaltung – das Land ist Träger, gleichzeitig aber auch Aufsichts- und Planungsbehörde der Kliniken – aber wird beschnitten. Die Beschäftigen bleiben zweitens im öffentlichen Dienst. Ihre arbeits-, tarif- und versorgungrechtlichen Bedingungen verschlechtern sich also nicht. Drittens könnte die Personalplanung, könnten aber auch Aufgaben wie der Einkauf und Einrichtungen wie Labore, Apotheken, Pathologie zentralisiert, medizinische Leistungen besser koordiniert werden. Kock: „Da gibt es ein enormes Einsparpotential.“ Gleichzeitig würde viertens die Marktmacht der städtischen Kliniken durch einen Zusammenschluß gestärkt, sie würden wettbewerbsfähiger.
All diese Vorteile sieht auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz. Er könnte sich sogar einen „Landesbetrieb Gesundheit“ vorstellen, „der auch Reha-Einrichtungen und Prävention umfaßt“. Doch in seiner Partei wird ein weiterer Vorschlag diskutiert: Die Kliniken könnten zu bezirklichen Eigenbetrieben werden. Das Problem dabei, so Seitz: Die Bezirke müßten auch die wirtschaftliche Verantwortung und den Personalüberhang übernehmen, und dazu sei kaum ein Bezirk bereit.
Gesundheitssenatorin Hübner sieht das anders. Sie will die Kliniken in eigenständige GmbHs umwandeln, die unter einem Dach zusammengefaßt sind. Dann wären diese nicht mehr an die teuren Gehälter des öffentlichen Dienstes gebunden und folglich kostengünstiger. Diese Lösung unterstützen auch die CDU und die Verwaltungsleiter der städtischen Krankenhäuser. Letztere wollen möglichst wenig Aufgaben an ein solches Dach abgeben, denn das würde schließlich ihre eigene Position schwächen.
Die Grünen könnten sich mit dem Vorschlag von ÖTV und DGB anfreunden. „Lieber wären mir aber trägerübergreifende Strukturen“, sagt Gesundheitsexperte Köppl. Er befürchtet aber, daß nun eine „offene Auseinandersetzung über die städtischen Kliniken bis hin zur Privatisierung“ entflammt, und würde diese Debatte lieber erst nach der Wahl führen. Köppl: „Das kann gefährlich nach hinten losgehen.“ Man könnte noch einen Schritt weiter gehen: Bei der BVG und den Wasserbetrieben hat sich gezeigt, daß die Umwandlung in eine Anstalt des öffentlichen Rechts häufig der erste Schritt in Richtung Privatisierung ist. Sabine am Orde
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