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Selbstgezimmerte Niederlage

In El Salvador wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Die Ex-Guerilla FMLN macht mit Grabenkämpfen den Weg frei für einen Sieg der Rechten  ■ Aus San Salvador Toni Keppeler

Vor einem Monat saßen die alten Comandantes zusammen: Schafik Handal, Leonel González, Lorena Peña und noch ein paar aus dem Kreis der historischen Führungsfiguren der „Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN). Sie warteten darauf, daß das Fernsehen die jüngste Umfrage zur Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag präsentierte.

Als die Zahlen über den Bildschirm geflimmert waren, holte einer die Gitarre. Rumflaschen wurden geöffnet. Man sang revolutionäre Lieder aus alten Zeiten. Der Grund der Feier: Facundo Guardado, Präsidentschaftskandidat und Generalsekretär der FMLN, war in der Umfrage noch einmal abgerutscht. Uneinholbare dreißig Prozentpunkte trennten ihn vom Spitzenreiter Francisco Flores, dem Kandidaten der regierenden „Republikanisch-nationalistischen Allianz“ (ARENA).

Vor einem Jahr noch sah das ganz anders aus. Die FMLN, die schon bei der Parlamentswahl 1997 zu ARENA aufgeschlossen hatte, lag in den Umfragen knapp vorn. Als dann ARENA mit dem 39jährigen Flores auch noch einen ebenso unbeleckten wie unbekannten Kandidaten präsentierte, schien das Rennen um die Präsidentschaft schon so gut wie gelaufen. In der FMLN scharrte eine ganze Reihe zugkräftiger Figuren in den Startlöchern: Etwa der Hauptstadtbürgermeister Hector Silva, die ehemalige staatliche Menschenrechtsbeauftragte Victoria Marina de Aviles und der Wirtschaftswissenschaftler Hector Dada.

Der Versuch der inneren Demokratie mißlang

Die Partei der ehemaligen Guerilla wollte ein Musterbeispiel an innerer Demokratie geben und rief die Parteitagsdelegierten zur Wahl des Kandidaten auf. Der Versuch mißlang gründlich: Ein alter Machtkampf brach auf, der noch aus Zeiten des Krieges herrührt und bis heute nicht gelöst werden konnte. Die eine Seite hob Silva auf den Schild, die andere de Aviles. Inhaltliche Unterschiede zwischen beiden ließen sich nicht feststellen. Das Regierungsprogramm, ein gemäßigt sozialdemokratisches Dokument, war vorher noch einstimmig von allen verabschiedet worden.

Die lokale Presse hatte schnell Etiketten zur Hand. Der Zirkel um die historischen Comandantes heißt heute die „Orthodoxen“, der um den jetzigen Kandidaten Guardado die „Sozialdemokraten“. Beide mobilisierten ihre Basis, und die lieferte sich bei drei Parteitagen wüste Beschimpfungen und Schlägereien, bis alle Kandidaten verschlissen waren. Erst eine Wahlrechtsänderung ermöglichte, daß Guardado sich am Ende selbst in den Ring warf und mit knapper Mehrheit gewählt wurde.

Danach ging das Hauen und Stechen erst richtig los. Guardado wollte die Partei ganz übernehmen und mobbte Anhänger der Orthodoxen aus FMLN-nahen Institutionen. Über den Hintergrund des Streits spricht kein FMLN-Kader öffentlich. Nur unter der Hand läßt sich erfahren, daß es Guardado schon zu Kriegszeiten nur schwer ertragen konnte, es in den „Volksbefreiungskräften“ (FPL), der größten Untergruppierung der FMLN, nur an die zweite Stelle geschafft zu haben. Auch nach dem Friedensvertrag von 1992 spielte er zunächst keine Rolle.

Das freilich nutzte Guardado zu seinem Vorteil. Während die alten Comandantes in der Hauptstadt an ihren neuen Ämtern klebten und sich immer weiter von der Basis entfernten, zog er übers Land. Für den Fall seiner Macht versprach er Pöstchen und schaffte sich damit Freunde. Die hievten ihn Ende 1997 ins Amt des Generalsekretärs. Ein Jahr später war der 44jährige Präsidentschaftskandidat.

Das Desaster der FMLN vor der Wahl am Sonntag läßt sich freilich nicht nur mit den Umständen der Kandidatenkür erklären, sondern auch mit Guardado selbst. Als Redner völlig unbegabt, versuchte er sich trotzdem als Populist und schaffte es dabei beispielsweise, sich in drei Sätzen viermal zu widersprechen.

Der Rechtskandidat brauchte nur zuzusehen

Aber bei den alten Comandantes ist inzwischen die Schadenfreude verflogen. Kurz vor dem Urnengang ging ihnen auf, daß Guardados absehbare Wahlniederlage eine Katastrophe für die gesamte Linke sein wird. In den letzten Tagen täuschten sie deshalb Einheit in der Partei vor.

Rechtskandidat Flores brauchte da nichts anderes tun, als sich aus allem herauszuhalten. Er lehnte jegliche öffentliche Debatte ab und beschränkte sich im wesentlichen darauf, sich von seiner eigenen Partei zu distanzieren. Denn für die Zustände in El Salvador will er nicht verantwortlich gemacht werden.

Zehn Jahre ARENA-Regierung haben dem Land die höchste Mordrate Lateinamerikas beschert: Jährlich sterben 135 von 100.000 Einwohnern eines gewaltsamen Todes. Mehr als die Hälfte der Salvadorianer ist arbeitslos oder unterbeschäftigt und lebt in Armut. Anders als Guardado, der 150.000 Arbeitsplätze in seinen ersten hundert Regierungstagen ankündigte, hat Flores nicht einmal etwas versprochen.

Glauben würde ihm ohnehin niemand. Viele Salvadorianer mißtrauen eh der Politik: Nach den letzten Umfragen wollen gut 40 Prozent erst gar nicht zur Wahl gehen.

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