: Unerhört, denkt der Spießer
■ Aus der „Bremer Bürger-Zeitung“ vom 20. März 1911
Großes Aufsehen erregte es, als gestern etwa 200 Frauen und Mädchen in Begleitung einzelner Männer von der Bremerhavenerstraße über die Nordstraße und dem Doventor zur Altstadt bis zum Markt spazierten. Arbeiterlieder und Hochrufe auf das Frauenwahlrecht und das allgemeine, gleiche Wahlrecht schallten den verdutzten Bürgern einer ehrsamen Hansestadt entgegen, die erst am Sonnabend einen ausgesprochenen Wahlrechtsfeind in den Senat bugsiert haben. Daß nun aus den Arbeitervierteln auch die Frauen herausmarschieren und politische Rechte fordern, dünkt dem Spießer als etwas ganz Unerhörtes. Einer murmelte denn auch an der Contrescar-pe etwas von Strümpfestopfen. Unsere Frauen sind keine englischen Suffragetten, sie haben keine Minister mit Schirmen verprügelt, derweil wir keine Minister haben, und weil unsere Kämpferinnen in Anbetracht des schönen Frühlingswetters keine Schirme mitgenommen hatten. Der Stehposten am Doventor vermeldete nach dem Stadthaus, wie es heißt: Ein Trupp Frauen zieht singend nach dem Rathaus. Vom Marktplatz ging es nach dem Domshof, und dort sagten sich die Spaziergängerinnen Adieu und riefen: Auf Wiedersehen! Wir gratulieren unseren Mitkämpferinnen zu ihrem ersten Erfolg im Kampfe zum Frauenrechte!
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