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Ein schwebendes Verfahren

Täglich grüßt das Ready-made: Der Hamburger Objektkünstler Andreas Slominski zeigt seine absurden Fallen und Transportgeräte im Deutschen Guggenheim Berlin  ■ Von Harald Fricke

Vor einigen Jahren gab es Ärger um die Fettecke von Joseph Beuys. Weil eine Reinigungskraft nichts mit der Arbeit anfangen konnte, hatte sie das Objekt gründlich aus dem Atelier des eben erst verstorbenen Künstlers geputzt. Der Schaden war groß, der Spott ebenfalls. In der Berliner Guggenheim- Dependance hat man deshalb vorgebeugt. Dort steht ein Eimer Wasser zwischen den Katalogen und Schmucktellern im Museumsshop. Gleich daneben wurde allerdings auf einem kleinen Hinweisschild der Name von Andreas Slominski mit der Bezeichnung „Edition No. 6“ angebracht. So kommt erst niemand auf die Idee, den Plastikkübel abzuräumen.

Überhaupt sind alle Arbeiten institutionell abgesichert, die Slominski in der Berliner Filiale des New Yorker Museums zeigt. Das Stück Fahrradrahmen, das der 1959 geborene Objektkünstler mitsamt einer Luftpumpe ausgesägt hat, liegt in einer Vitrine aufbewahrt, und vor dem gläsernen Kasten, in dem das „Transportsystem für Hustensaft“ verankert ist, wird man ermahnt, das kostbare Gerät bitte nicht zu berühren. Dabei dürfte der Löffel ohnehin nicht abstürzen, der über einer geschrägten Standfläche im Inneren des Käfigs wie eine Kompaßnadel schwebt – schließlich wurde die erschütterungsfreie Aufhängung an der Technischen Universität Berlin entwickelt. Auf einem zusätzlichen Video kann man sich davon überzeugen, daß die stoßfeste Apparatur den Löffel mit Hustensaft tatsächlich, ohne zu kleckern, von der Uni im Westen zum Museum im Osten transportiert hat.

Wer will, kann in dieser Standhaftigkeit ein Symbol der üblichen Neue-Mitte-Utopien sehen. Umgekehrt spiegeln sich in der speziellen Schutzvorrichtung auch die Künstlichkeit und der enorme Aufwand, den es braucht, um die Berliner Republik sattelfest zu machen. Slominski wiederum wird jede Art der Interpretation freuen, weil sich darin nur um so mehr sein Ansatz bestätigt: Jedes Objekt und jedes Konzept, das sich in den diskursiven Rahmen der Kunst fügt, wird Teil des ästhetischen Regimes – schon sitzt der Betrachter mit in der Falle des Betriebssystems. Täglich grüßt das Ready-made.

Slominski hat der Trick mit der irreversiblen Doppeldeutigkeit von Kunst weit nach vorne gebracht. Für die Skulpturen-Projekte in Münster 1997 ließ er eine Straßenlaterne ausheben, um die lediglich ein Fahrradreifen gelegt wurde. Am Ende der Aktion wurde die mittlerweile zur Skulptur mutierte Laterne wieder fest im Gehweg einbetoniert. Ein Jahr später mußte für seinen Manifesta- Beitrag in Luxemburg eine Wand weitflächig ausgesägt werden, damit Slominski eine Leiter quer in den Nebenraum tragen konnte. Zur Ausstellung konnte man das absurde Procedere nur noch per Video verfolgen. Als er zuletzt für die Berlin-Biennale eingeladen war, stellte er drei Tonnen Schutzfarbe aus und den Vorschlag, doch den Funkturm damit zu streichen.

Auch die Schnapsidee mit dem Löffel, für die Slominski von der New Yorker Kuratorin Nancy Spector eingeladen wurde, ist nur eine Variante der unentwegten Verkunstung von Welt, mit der sich der Künstler längst abgefunden hat. Slominski nimmt das Dilemma mit Humor. Im Hauptraum hat er gleich eine komplette „Vogelfangstation“ installiert, bei der man praktisch mit jedem Schritt über die stille Selbstbezichtigung stolpern muß. Die Verführungskraft des trügerischen Scheins wird als Falle nicht einmal mehr hinter irgendwelchen Sinnbildern versteckt, sondern ganz real im Raum ausgelegt. Trotzdem kann die Anlage nicht funktionieren, weil der Jäger fehlt. Das Haus im Zentrum, von dem die Vogelnetze mit Schnüren zugezogen werden müssen, ist leer. Seine Opfer fängt sich Slominski indessen weiter auf dem künstlerischen Weg: Letzten Donnerstag führte er persönlich durch die Ausstellung. Der Eimer stand da immer noch an seinem Platz.

Bis 9.5., Deutsche Guggenheim Berlin. Katalog: 39 DM.

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