Bosnische Serben sind sauer

Vertreter der Republika Srpska lehnen den internationalen Schiedsspruch über die Stadt Brčko ab und drohen mit Gewalt. Regierungschef Dodik tritt zurück  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Verwirrung, Ärger und Wut charakterisieren die Stimmung bei den Vertretern der bosnischen Serben nach dem internationalen Schiedsspruch über die Stadt Brčko. Der internationale Vermittler Roberts B. Owen hatte am Freitag entschieden, daß die bisher von den bosnischen Serben beherrschte ostbosnische Stadt zu einem multiethnischen unabhängigen Destrikt werden solle.

„Wir werden diesen Schiedsspruch nicht akzeptieren“, erklärte zum Beispiel der Parlamentspräsident der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska, Dragan Kalinić, während einer Sondersitzung des Parlamentes gestern in Banja Luka. Damit würde die Republika Srpska zerstört und das Abkommen von Dayton hinfällig.

Reihenweise waren Freitag und Samstag die Repräsentanten des Staates zurückgetreten. Auch Milorad Dodik, der moderate Chef der Regierung, machte aus Protest gegen den Schiedsspruch diesen Schritt. Immer wieder hatte er gefordert, daß die strategisch wichtige Stadt Brcko unter serbischer Kontrolle bleiben müsse. Denn durch sie verläuft die einzige von Serben kontrollierte Straßenverbindung zwischen den östlichen und westlichen Landesteilen sowie zwischen der serbischen Hauptstadt Belgrad mit Banja Luka. Während des Krieges war Brčko deshalb der wichtigste strategische und deshalb am meisten umkämpfte Ort des Landes.

Aber auch die bosniakisch- kroatische Föderation beansprucht die Stadt Brčko mit dem Argument, sie sei vor dem Krieg zu 80 Prozent von Muslimen und Kroaten bewohnt worden. Deshalb fallen die Reaktionen in Sarajevo anders aus. Der Schiedsspruch und damit der Kompromiß von Brčko bedeute einen wesentlichen Schritt vorwärts hin zu einer friedlichen Entwicklung, erklärten übereinstimmend die Vertreter der Parteien. Vor allem die Sozialdemokraten zeigten sich befriedigt: Mit der Entscheidung, Brčko zu einem eigenständigen, demokratischen und multiethnischen Disktrikt zu machen, steige die Hoffnung auf die Rückkehr der Vertriebenen und die Integration des bosnisch-herzegowinischen Staates. Die Teilung des Landes in zwei Entitäten, die Teilstaaten Republika Srpska und bosniakisch- kroatische Föderation, ist für die SDP ohnehin ein Anachronismus.

Genau diese Integration jedoch fürchten die wichtigsten nationalistischen Parteien der Serben, allen voran die Karadžić-Partei SDS und die Radikale Partei unter dem ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska, Nikola Poplašen, der noch am Freitag von dem Hohen Repräsentanten Carlos Westendorp seines Amtes enthoben wurde. Poplašen und seine Parteifeunde befürchten, daß mit dem Distrikt Brčko die Republika Srpska in zwei Teile zerfallen wird. Die internationalen Friedenstruppen hätten nun das Recht, die serbisch-bosnische Armee zu kontrollieren, monieren sie. Und sie befürchten vor allem, daß die Option, eines Tages die Republika Srpska mit Serbien zu vereinigen, dann verschwunden ist. Diese großserbische Idee hatte Poplašen noch vor Jahresfrist öffentlich vorgetragen.

Und so drohten die Radikalen während der gestrigen Parlamentsdebatte, sich gegen die internationalen Friedenstruppen Sfor oder auch gegen die Internationale Polizei IPTF zu stellen. Einige Zwischenfälle gab es bereits: Nachdem am Freitag abend eine Streife von US-Soldaten in dem ostbosnischen Ort Ugljevik von mit Holzprügeln bewaffnete Männern angegriffen worden war, wobei ein Soldat verletzt wurde, machten sie von der Schußwaffe Gebrauch. Dabei wurde der Vizevorsitzende der Radikalen Partei, Krsto Micić, getötet. In Prijedor und anderen Orten kam es zu Anschlägen auf UNO- Fahrzeuge. Am Samstag demonstrierten zudem Tausende Anhänger der Radikalen in Brčko und in Bijeljina. Die internationalen Friedenstruppen reagieren wie der Hohe Repräsentant Carlos Westendorp jedoch gelassen. Man habe die Lage unter Kontrolle, hieß es aus den Hauptquartieren.