: Erzwungenes Ende der Schulzeit
Nach der Gesamtschule Grellkamp bangt nun auch die Heinrich-Wolgast-Schule auf St. Georg um ihre fünften Klassen ■ Von Judith Weber
Ein Hamburger Stadtteil ohne weiterführende staatliche Schule – was nach bildungspolitischem Anachronismus klingt, könnte auf St. Georg aktuell werden. Der einzigen Grund-, Haupt- und Realschule im Viertel droht die Streichung der fünften und siebten Klassen. Die achte, neunte und zehnte würden auslaufen; nach drei Jahren bliebe nur die Grundschule zurück.
SchülerInnenmangel ist der Auslöser dieser Überlegungen. Nur 18 Kinder haben sich an der Heinrich-Wolgast-Schule für die fünfte angemeldet – das reicht mit gutem Willen für eine Klasse. In die siebte Klasse der Hauptschule wollen nach den Sommerferien 17 Jugendliche gehen; die Realschule liegt mit zehn gebuchten Plätzen hoffnungslos unter der angestrebten Klassenfrequenz von rund 20 SchülerInnen.
Grund dafür ist die Auflösung von Flüchtlingshotels auf St. Georg, vermutet Elternrätin Angelika Behr: „Viele Bosnier sind zurückgegangen. Das macht sich auch in den Schulen bemerkbar.“ Ein Argument für das Zusammenschrumpfen der Schule ist das nicht, findet sie. Denn die Kinder können nicht auf andere Einrichtungen im Stadtteil ausweichen.
Neben der Heinrich-Wolgast-Schule gibt es auf St. Georg nur eine katholische Schule. Die nächsten staatlichen Einrichtungen sind die Rudolf-Roß-Gesamtschule in der Neustadt, die Haupt- und Realschule Osterbrook in Hamm und die Schule Griesstraße in Wandsbek. Nicht nur, daß die Kids so „weitere Strecken mit dem Bus fahren müßten“, argumentiert Behr, „es entfällt auch die soziale Anlaufstelle für die Jugendlichen“. Wenn das Schulangebot beschnitten wird, fürchtet sie, werden noch mehr Eltern wegziehen.
All das will die Schulbehörde prüfen. Bevor die Heinrich-Wolgast-Schule zusammenschrumpft, „werden noch die Kammern angehört“, versichert Ulrich Vieluf, Pressesprecher der Schulbehörde. Am 2. Juni soll die Deputation dann entscheiden. An diesem Tag befindet das Gremium auch über die Zukunft einer anderen Hamburger Lehranstalt. Die Langenhorner Gesamtschule am Grellkamp kämpft wegen zu geringer SchülerInnenzahlen ebenfalls gegen die Schließung (taz berichtete). Wenn die Deputation es so will, könnten damit in diesem Jahr zwei Schulen zumindest teilweise dichtgemacht werden – ein verheerendes Signal, finden Eltern- und LehrerInnenverbände.
Auch die GAL will das Schul-sterben nicht hinnehmen. „Man muß in jedem Einzelfall abwägen, ob die Schule wichtig für die regionale Versorgung ist“, sagt Christa Goetsch, schulpolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft. Ob das der Heinrich-Wolgast-Schule hilft, ist fraglich. Denn „regionale Versorgung“ ist nicht gleichzusetzen mit Versorgung im Stadtteil, erklärt Behördensprecher Vieluf. „Wie weit eine Schule entfernt liegt, kommt schließlich darauf an, wo die Schüler wohnen.“
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