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Ein Sieg über das Mullah-Regime

■ Das „Mykonos“-Urteil hat, wegen der Unerschrockenheit, mit der in ihm der iranische Staat als Mittäter an den Pranger gestellt wurde, deutsche Rechtsgeschichte geschrieben

Am 9. Dezember 1998 verwarf der Bundesgerichtshof die Revisionen der Angeklagten im sogenannten Mykonos-Prozeß. Damit ist das Urteil in der Strafsache „Amin und andere“ rechtskräftig. Eine Strafsache, die der Aufklärung eines Mordes an kurdischen Politikern galt und in der zuletzt der iranische Staat mit auf der Anklagebank saß. Ein Verfahren ist abgeschlossen, mit dem Rechtsgeschichte geschrieben wurde. Es ist ein Lehrstück über die Bedeutung einer unabhängigen Justiz, über Richter und Staatsanwälte, die sich den Versuchen staatlicher Einflußnahme widersetzt haben, und einer Wahrheitsfindung, die einen Staat zu erschüttern vermochte.

Das Urteil wurde nun als Buch veröffentlicht. Die 400 Seiten sollten nicht nur Pflichtlektüre für angehende Juristen werden. Sie geben einen tiefen Einblick in die politischen Verhältnisse des Iran und lesen sich zudem spannend wie in Krimi – auch wenn die Struktur einer Urteilsbegründung nicht unbedingt an der dramaturgischen Elle gemessen werden kann, die bei Prosatexten eigentlich anzulegen ist.

Am 17. September 1992 wurden in dem Lokal „Mykonos“ im Berliner Stadtteil Wilmersdorf der Führer der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran, Scharafkandi, und drei seiner Begleiter ermordet. Sie waren anläßlich einer Tagung der Sozialistischen Internationalen nach Berlin gereist und hatten sich kurzfristig zu einem konspirativen Treffen in diesem Lokal verabredet. Trotzdem erhielt ein Kommando des iranischen Geheimdienstes Kenntnis von dem Treffen und erschoß die Politiker. Bereits 1989 war der Vorgänger Scharafkandis, Ghassemlou, in Wien von einen Kommando liquidiert worden, dessen Hintermänner in der iranischen Regierung vermutet wurden. Seinerzeit wurde diese Spur aus diplomatischer Rücksichtnahme nicht weiter verfolgt. Und auch als in Berlin die ersten Tatverdächtigen verhaftet wurden und ein Prozeß drohte, kam es der Bundesregierung mehr als ungelegen. Zu sehr war ihr an guten Beziehungen zum Iran gelegen. „Wer die Details kennt, kommt zu ganz anderen Ergebnissen“, erklärte der damalige Staatsminister im Kanzleramt, Schmidbauer, als zu Prozeßbeginn die ersten Verbindungen zwischen der Tat und dem Regime der Mullahs deutlich wurden.

Es ist eine der Eigenheiten dieses Prozesses, daß sich die Vertreter der Bundesanwaltschaft nicht vom offensichtlichen Willen der Bundesregierung beeindrucken ließen. Schmidbauer wurde geladen, konnte aber keine Details nennen, die den Iran entlasteten. Die Bundesanwälte Jost und Georg ermittelten weiter und trugen Stück für Stück die Belege zusammen, die das Bild eines Auftragsmordes der iranischen Regierung komplettierten. Ihre Ergebnisse stießen auf das vorbehaltlose Interesse des Vorsitzenden Richters Kubsch. Unterstützt wurden sie dabei von iranischen Oppositionellen und den Vertretern der Nebenklage, den Anwälten Ehrig und Wieland. Daß Bundesanwälte und linke Anwälte so einvernehmlich kooperieren, dürfte, nebenbei bemerkt, auch eine eher unübliche Erscheinung in der deutschen Rechtsgeschichte gewesen sein.

Die Ermittlungen führten schließlich – wiederum eine Seltenheit in der internationalen Rechtsgeschichte – zu einem Haftbefehl gegen den damaligen iranischen Geheimdienstminister Fallahian und in der Folge zu einer Zerrüttung der deutsch-iranischen Verhältnisse. Es gehört zu den berüchtigten Zufällen, die in der Realität seltener als im Film eine Rolle spielen, daß kurz vor Ende des Verfahrens ein Zeuge gefunden wurde, der Einblick in die Kommandostruktur des iranischen Geheimdienstes gab. So erfuhr das Gericht vom „Komitee für Sonderangelegenheiten“, einer Ansammlung hochrangiger Vertreter des Regimes, in dem die Mordaufträge erarbeitet wurden. So wurde deutlich, daß auch der Staatspräsident Rafsandschani und der Ajatollah Chamenei in die Komplotte verwickelt waren. Als die Staatsanwälte dies in ihren Plädoyers benannten, kam es zu wütenden Protesten im Iran.

Das Verfahren führte schließlich zum Abzug aller EU-Botschafter. Über seine Bedeutung für die Entwicklung im Iran schrieb ein Jahr später der Oppositonelle Bani Sadr: „Nach dem Mykonos- Urteil haben im Iran zwei Wahlen stattgefunden. In beiden hat das Volk sich eindeutig gegen das herrschende Regime der absoluten Geistlichkeit gewandt und gegen es abgestimmt.“ Dieter Rulff

„Mykonos-Urteil“. Herausgegeben von und zu beziehen über den Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin, Stresemannstr. 128, 10117 Berlin, 30 DM

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