Der Eisverkäufer

Nach seinen Auftritten als Straßenmusiker in „Verrückt nach Mary“ sind Jonathan Richmans warmherzige Lieder wieder in aller Munde  ■ Von Felix Bayer

Schon lange haben sich nicht mehr so viele Leute auf einen Auftritt von Jonathan Richman gefreut. Der Sänger, der auch mit über 40 Jahren noch immer jungenhaft wirkt, war nie über längere Zeit verschwunden gewesen. Immer mal wieder erschien eine Platte, immer mal wieder kam er auf Tour, in den letzten Jahren meistens alleine. Doch zunehmend wurde das mit einem Schulterzucken quittiert. Und dann saß Jonathan Richman auf einem Baum und tat das, was er schon immer tat: Er sang ein warmherziges Lied. Bloß sahen ihm diesmal hunderttausende Menschen dabei zu, denn es war die Eröffnungsszene zu einer der erfolgreichsten Kinokomödien des vergangenen Jahres, Verrückt nach Mary.

Wie Jonathan Richman den Zuschauer da mit ehrlich gerührten Augen anblickte, war eine willkommene Erinnerung daran, was wir an ihm haben. Jonathan Richman ist der vielleicht unzynischste Mensch im Musikgeschäft. „Über das Musikgeschäft zu sprechen, ist etwa so spannend, wie über Steuererklärungen zu reden“, hat Richman einmal gesagt. Nie hat er gemacht, was Plattenfirmen von ihm erwarteten, immer hat er nur über Dinge gesungen, die ihm persönlich gerade am Herzen lagen.

Dabei hatte Richmans früher Ruhm viel damit zu tun, daß eine Plattenfirma das nicht mochte, was er gerade für richtig hielt: Vier Jahre blieben die im Auftrag Warners mit John Cale produzierten Aufnahmen zu The Modern Lovers liegen, und als sie 1976 endlich erschienen, stand Punk vor der Tür. Da kam eine Platte genau zur rechten Zeit, auf der über Hippies gespottet wurde. Jonathan Richman bewunderte Pablo Picasso, weil er nie Arschloch genannt wurde, wenn er Frauen ansprach, und sang mit „Hospital“ eines der bewegendsten Liebeslieder überhaupt. Und dann war da noch „Roadrunner“ drauf, ein Lied, das die Sex Pistols bei ihrer allerersten Aufnahmesession nachspielten.

Doch bald wollte Jonathan Richman nichts mehr mit dem aufregend lauten, von den Velvet Underground inspirierten Rock der frühen Modern Lovers zu tun haben: „Siebenjährige halten sich die Ohren zu, das darf nicht sein“, sagte er damals. „Ich will Musik für wirklich alle Altersgruppen machen.“ Also sang er Lieder über die Leiden von Kaugummipapier, über Schneemänner und Eisverkäufer. Die Siebenjährigen mochten das, die erwachsenen Rockfans nicht, sie fanden diese Lieder kindisch. Doch das sind sie nicht, es sind offenherzige, fröhliche Feiern der einfachen Vergnügen des Lebens.

Seitdem hat sich Jonathan Richman auch wieder „erwachseneren“ Themen zugewandt und hat eine Countryplatte und ein Album in spanischer Sprache aufgenommen. Er war bei etwa so vielen Plattenfirmen, wie er in Verrückt nach Mary überraschende Auftritte hat. Doch immer hat er sich seine einfache Sprache bewahrt, sein leichtes Näseln, in dem er sanftmütigen Humor und aufrichtige Anteilnahme gleichermaßen ausdrücken kann.

Auf seinem neuen Album I'm So Confused sind mit „The Lonely Little Thrift Store“ oder einer neuen Version des Modern Lovers-Klassikers „Affection“ Beispiele für beides zu hören. I'm So Confused ist die erste Platte seit langem, die wieder bei einem Majorlabel erschienen ist. Ein Indiz dafür, daß mit der Wirkung des Filmauftritts gerechnet wurde. Doch in der deutschen Version wurden Jonathan Richmans Lieder synchronisiert. Ob sich wohl viele Kinogänger auf Verdacht eine Platte des Sängers ohne Stimme gekauft haben? Egal, das Konzert wird schön. Schon deshalb, weil sich fast alle, die Richman irgendwannn mal mochten, daran erinnert haben, was sie an ihm haben. Sie werden da sein. Sie freuen sich schon drauf.

Fr, 12. März, 20 Uhr, Grünspan