: Nicht für eine Handvoll Stunden
■ Meister der Farbenmusik: Originalgraphiken von James Whistler in der Kunsthalle
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Petersburg und amerikanische Militärakademie in Westpoint, impressionistischer Maler in Paris und Dandy in London. Scharfzüngiger Polemiker, Bankrotteur und Akademiepräsident, Freund von Courbet, Oscar Wilde und Mallarme. Es gibt Künstlerbiographien, die schon jenseits eines einzigen Pinselstrichs faszinierend vielfältig sind.
James Abbott McNeill Whistler, 1834 in Lowell, Massachusetts geboren und 1903 in Chelsea bei London gestorben, ist zudem einer der wenigen Künstler, die einen Kritiker auf tausend Pfund Schadenersatz verklagten und herabsetzende Urteile über neuartige Malerei ( „... 200 Guineen für das Schleudern eines Farbtopfes in das Gesicht des Publikums...“) öffentlich vor Gericht widerlegten („... ich werde nicht für die paar Stunden bezahlt, in denen ich ein Bild male, sondern für die Erfahrungen eines ganzen Lebens!“)
Wenn jetzt die Hamburger Kunsthalle dem amerikanischen Europäer eine Ausstellung widmet, geht es aber nicht um die symbolistische Malerei voller musikalisch abgestimmter Farbwerte, sondern um eine Präsentation aus den Schätzen des Kupferstichkabinetts. Denn in der Originalgraphik, die er vom Odium bloßer Reproduktion wieder befreite, galt er unbestritten als Meister, der mit dem Range Rembrandts verglichen wurde. Seine besondere Behandlung der Technik machte die Auflagen fast zu Unikaten.
Dabei verbindet sein Blick auf die Bildmotive zwei unterschiedliche Anregungen: Stilisierungen im Bildaufbau, Proportionen und Leerflächen, die vom damals sehr geschätzten japanischen Holzschnitt übernommen wurden, treffen sich mit dem Erbe des Realismus, einem Interesse an alltäglichen Situationen. So zeigen seine berühmtesten Radierungen, seine Bilder aus Venedig, die schon damals zum Klischee romantisierte Stadt, anders als die Veduten-Malerei. Trotz aller Begeisterung für die Bilder barocker Schönheit der alten Republik, sind die selbst Lichtstimmungen im Strich-Druck aufscheinen lassenden Ansichten Whistlers im heutigen Kunstverständnis von großer Gültigkeit.
Hajo Schiff
Hamburger Kunsthalle, Kuppelsaal, bis 16. Mai
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