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Die Bahn will noch mehr Schotter

■ Entrüstung über neue Fahrpreiserhöhungen der Deutschen Bahn AG. Vorstandschef Ludewig will auf die üblichen Preissteigerungen noch die Kosten der Ökosteuer draufschlagen. Bundesländer kündigen Widerstand dagegen an

Berlin/Frankfurt (taz/dpa) – Nun will die Bahn die Fahrpreise noch einmal erhöhen. Bahnchef Johannes Ludewig kündigte den Bundesländern schriftlich an, die Preise im Nahverkehr ab April wegen der Ökosteuer um weitere 1,5 Prozent zu erhöhen – falls die Länder nicht die Mehrkosten übernehmen. Mehrere der Bundesländer, die im Nahverkehr die Preise genehmigen müssen, lehnten es gestern ab, diese Kosten zu übernehmen. Nach Informationen der taz plant die Bahn, auch im Fernverkehr die Mehrkosten durch die Ökosteuer schon bald auf die Kunden abzuwälzen. Die Bahn hatte ihre übliche Preiserhöhung von ebenfalls 1,5 Prozent (Fernverkehr Westdeutschland) bzw. 5,2 Prozent (Fernverkehr Ostdeutschland) angekündigt, in der aber die Ökosteuer noch nicht berücksichtigt war.

Niedersachsens Verkehrsminister Peter Fischer (SPD) erklärte, er werde einer zusätzlichen Preiserhöhung nicht zustimmen. Die Bahn werde im Vergleich zum Straßenverkehr weniger belastet, sagte Fischer. Diesen Preisvorteil solle das Unternehmen offensiv nutzen. Wenn die Bahn AG bei ihrer Absicht bleibe, werde Niedersachsen mehr Leistungen bei Wettbewerbern bestellen, drohte der Verkehrsminister.

Auch Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) kündigte an, einer Preiserhöhung nicht zuzustimmen. „Aus Sachsen bekommt die Bahn weder von den Kunden noch vom Freistaat einen Pfennig Ersatz.“ Finanzminister Oskar Lafontaine solle die Verluste ausgleichen. Der bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) erklärte ebenfalls, Bayern werde die Zusatzkosten nicht auffangen. Es sei aber auch klar, daß die Bahn die Belastung nicht durch neue Einsparungen ausgleichen könne. Auch sein nordrhein- westfälischer Kollege Peer Steinbrück will die Mehrkosten der Bahn „definitiv nicht übernehmen“. Offenbar will Ludewig erreichen, daß im Bundesrat die Bahn ganz von der Ökosteuer befreit wird. In diesem Sinne rief der Deutsche Städte- und Gemeindebund gestern prompt den Bundesrat auf, den Personennahverkehr ganz von der Ökosteuer zu befreien.

Laut der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD, Angelika Merten, erhalten Busse und Bahnen jährlich bereits mehr als zwölf Milliarden Mark Zuschuß vom Bund. Sie zeigte Verständnis für eine „moderate Tarifanhebung“ wegen der Ökosteuer. Degegen kritisierte ihr grüner Kollege Albert Schmidt die Bahn. Die Diesel- und Strompreise seien zuletzt ja stärker gesunken, als sie jetzt durch die Ökosteuer für die Bahn wieder ansteigen. „Die sollen nicht so tun, als bräuchten sie jetzt noch eine Preiserhöhung.“ Schmidt, der auch Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn ist, kritisierte den Vorstoß Ludewigs auch aus PR-Gründen. Obwohl die Bahn derzeit ein Imageproblem wegen der Entgleisungen habe, rede sie jetzt ausgerechnet von Preiserhöhungen. Auch Nobert Drees, Marketingprofessor in Erfurt, hält die angedrohten Preiserhöhungen „für eine falsche Diskussion zur falschen Zeit“.

Die Ökosteuer – die für Verkehrsunternehmen nach heftigen Protesten auf Initiative der Grünen halbiert wurde – belastet nach eigenen Angaben die Bahn mit 172 Millionen Mark im Jahr zusätzlich. Davon entfallen gut 60 Millionen Mark auf den Nahverkehr.

Derweil äußerte sich Bahnchef Ludewig gestern zur derzeitigen Unglücksserie. Dieser Eindruck trüge, allein in den vergangenen sechs Jahren sei die Unfallhäufigkeit bei der Bahn um 40 Prozent gesunken. Trotzdem wolle er gemeinsam mit den Gewerkschaften darüber nachdenken, wie die Sicherheit weiter verbessert werden könne. urb Tagesthema Seite 3

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