: Für Bücherwürmer und Schreibtischtäter
■ Unter Kennern ist das bandscheibenfreundliche Stehpult nie aus der Mode gekommen
Daß moderne Möbel auch wiederentdeckte Klassiker sein können, zeigt ein Sitzmöbel von Frigerio. Das italienische Designerstück, das verdächtig Großvaters Ohrensessel gleicht, kommt gut an bei den KundInnen von Nicolas von Kameke im Stilwerk; „ein paarmal pro Woche“ werde dieser Inbegriff neuer Gemütlichkeit verkauft. Daß Klassiker umgekehrt auch in Chrom- oder Stahlausführung eine gute Figur machen, beweist ein Möbel, das viele allenfalls noch mit Altmeister Goethe in Verbindung gebracht hätten – zu Unrecht: Unter Kennern ist das Stehpult nie aus der Mode gekommen.
„In einem hallenartigen Empfangsbereich bot das Stehpult stilvoll die Möglichkeit, ohne Tisch und Stuhl Quittungen zu unterschreiben“, schwärmt beispielsweise Gerald Hennings über den projektbezogenen Einsatz des guten Stücks. Der Innenausstatter entwarf die Ahorn-Edelstahlrohr-Kombination für eine Büroetage; in Wohnungen findet das Stehpult nur bedingt Einsatz, obwohl es sich in geräumigen Küchen auch als Kochbuchhalter oder im Flur als Telefon- und Schreibunterlage für Notizen eignen würde.
Besonders sinnvoll ist es aber für Bücherwürmer und Schreibtischtäter, die das Sitzen auf Dauer als belastend empfinden. Das Wohnstudio Steinkamp hatte Stehpulte schon immer im Programm: Lehrer sind die häufigsten Kunden. „Das ist einfach ergonomisch sinnvoll, sich kurzzeitig aufzurichten und im Stehen zu korrigieren oder zu lesen“, erklärt sich Thomas Steinkamp das pädagogische Kaufinteresse. Das können die Büroausstatter von Objektform bestätigen. Sie bekommen bei ihren Aufträgen aus manch einem Unternehmen auch die Anregung vom Betriebsarzt, doch bitte an Stehpulte zu denken.
Die sind gut für die Körperhaltung, denn „der Mensch ist nicht zum Sitzen da. Für kurze Besprechungen sollte ruhig mal gestanden werden“, sagt Monika Gaß von Objektform, die schon seit zehn Jahren in der Branche arbeitet. „Ständiges Sitzen drückt die Bandscheiben nach hinten“, bestätigt Dr. Volker Traub. Zur Entlastung der Bandscheiben sollte die Körperhaltung öfter verändert werden, rät der Orthopäde. Das gelinge beim Stehen, wo mal die rechte und mal die linke Seite belastet werde, besonders gut.
In vielen Büros, so die Erfahrung von Monika Gaß, seien Möbelhilfen wie Fußbänke und Stehpulte längst Standard, fehlen sie, sei Eigeninitiative gefragt, zum Beispiel per Attest vom Orthopäden. Auswahl an diesen körpergerechten Büromöbeln gibt es genug: Stehpulte führt inzwischen nahezu jeder Hersteller – von schlicht bis poppig, von konventionell bis avantgardistisch.
Oder beweglich, wie sie die mobilen Arbeitsbereiche zum Beispiel der Call-Center erfordern. Hier wird ein hoher Rollwagen eingesetzt, in dem sich Ordner und persönliche Unterlagen befinden. Der Clou daran ist die herunterklappbare Schreib- und Ablagefläche, die für kurze Besprechungen genutzt werden kann. Ein Stehpult auf Rädern – wenn das der alte Goethe gewußt hätte.
Stephanie Heim
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