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Ein Licht aufstecken

Ob real oder geschickt imitiert: Professionelle Beleuchter stehen auf Tageslicht. Am besten ist ein täglicher Spaziergang  ■ Von Gernot Knödler

Für Manfred Ross ist die Sache klar: „Daß Tageslicht dem Menschen gut tut, ist eine anerkannte Tatsache“, sagt der Hamburger Lichtberater. Und weil er daran glaubt, versucht er, das Tageslicht in geschlossenen Räumen so gut es geht nachzuahmen – mit Hilfe spezieller Leuchtstoffröhren, deren weißes Licht ähnlich zusammengesetzt ist wie das Sonnenlicht. „Sie wissen es selbst: Wenn man im Mai unter der Sonne sitzt, hat man ganz andere Gefühle als im Abendrot, und das machen wir mit unserem Licht nach“, sagt Ross.

Daß Licht nicht gleich Licht ist, kann jedeR nachvollziehen, der schon einmal einen Regenbogen gesehen hat: Die Wassertropfen brechen die Strahlen und machen ihre Bestandteile sichtbar: von blau über grün und gelb bis rot. Alle zusammen und in verschiedenen Kombinationen ergeben sie weißes Licht, wobei einzelne Farben in den Kombinationen kaum merklich überwiegen und so die Atmosphäre des Lichts verändern: Beim Licht einer Glühlampe überwiegt rot; sie verbreitet eine warme, gemütliche Atmosphäre. Bläuliche Neonröhren dagegen werden nicht umsonst aus WG-Küchen geschmissen; wer will schon unter OP-Beleuchtung sein Schnitzel sezieren?

Wird Manfred Ross also gebeten, einen Raum auszuleuchten, ist für ihn entscheidend, was darin getrieben werden soll: Für die Arbeit gilt ihm das natürliche Licht der Sonne als bestes und die ausgefuchsten Leuchten, die es kopieren. Die entsprechenden Räume sollen möglichst von oben und mit indirekten Anteilen gleichmäßig ausgeleuchtet werden. Neigt sich dagegen der Tag, will sich Mensch auf den Schlaf einstimmen oder zum vertrauten Tête-à-tête auf die Couch zurückziehen, ist das Licht einer Kerze oder einer schlichten Glühbirne geeigneter. Ihr Schimmer ähnelt dem Abendrot und stimmt den Organismus friedlich.

Normale Energiesparlampen sind daher fürs Wohnzimmer ungeeignet. Diese hätten „grundsätzlich ein sehr schlechtes Lichtspektrum“, sagt Ross, und sollten daher nicht in Zimmer gehängt werden, in denen sich Menschen längere Zeit aufhielten, sondern statt dessen etwa in Flure. Ob eine Energiesparlampe dem Tageslicht nahekommt, läßt sich auch auf einfache Weise testen. Man halte ein Blatt Papier vor ein Fenster und danach vor die Leuchte. Je weniger sich die Farbe des Papiers verändert, desto besser. Und noch ein zweites Merkmal rät der Fachmann zu beachten: Ob die Leuchte sofort anspringt, oder zunächst stottert. Stottert sie nicht, flimmert sie auch nicht, und das sei „schon mal ganz gut“.

Fachmann Ross empfindet seine Beratung, wie er sagt, als „Prävention“, als Vorbeugung gegen Müdigkeit, überanstrengte Augen, Kopfschmerzen und Depressionen. „Die meisten Leute wissen gar nicht, daß es Licht ist, was ihnen fehlt“, bestätigt Dirk Graumann, der sich als Selbständiger sein Geld damit verdient, Lampen zu konstruieren und Beleuchtungspläne auszutüfteln. Graumann ist wie Ross ein Fan des Tageslichts und natürlicher Rhythmen. „Ich finde es gut, wenn man seinen Biorhythmus nicht durcheinanderbringt“, sagt er. Für Leute, die zu Hause arbeiten, bietet sein Kollege Ross daher Systeme an, wo sich das Licht je nach Tätigkeit umstellen läßt, von „heller Nachmittag“ auf „Abendrot“ sozusagen.

Während Graumann eine solche Lösung für zu kostspielig hält und gegenüber Ross der Lichtstärke mehr Gewicht beimißt, sind sie sich in einer Sache einig: Noch besser als nachträglich eine ausgefeilte Beleuchtung zu installieren, ist es Häuser so zu bauen, daß sie das Tageslicht möglichst gut ausnutzen. Ross bringt es in einem Ratschlag auf den Punkt, dem schon der große Philosoph Immanuel Kant mit der ihm eigenen Disziplin gnadenlos folgte: „Das Beste, was man sich antun kann, ist jeden Tag ein Spaziergang.“

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