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Nachhaltiges Wachstum?

Im kommenden April steht der Tourismus erstmals auch auf der Tagesordnung der Kommission für Nachhaltige Entwicklung des Rio-Nachfolge-Prozesses, die sich für zwei Wochen in New York trifft. Die Tourismusdebatte wird dadurch mit unzähligen Stellungnahmen zur nachhaltigen Tourismusentwicklung neu belebt. In sämtlichen Präambeln wird auf die erstrangige weltwirtschaftliche Bedeutung des Tourismus verwiesen.

Meist werden geflissentlich die optimistische Prognosen der WTO wiedergegeben, wonach der internationale Tourismus, einmal vom Schock der Asienkrise erholt, ab dem Jahr 2001 wieder um 4 Prozent jährlich zunehme, die Ankünfte im Jahr 2010 die Milliardengrenze erreichen und die Erträge daraus sich annähernd vervierfachen würden.

Wie ein solch rasantes Wachstum grundsätzlich mit den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden könnte, bleibt bislang völlig offen. Es gibt keine politische Ansätze, weder auf nationaler, noch auf internationaler Ebene, die regulierende Funktionen wahrnimmt. Zu welchem Preis das Wachstum bereits heute den Gastländern und insbesondere den schwächeren lokalen Anbietern im Globalisierungskonzert abgerungen wird, steht offensichtlich gar nicht zur Diskussion. Tourimus ist als Wirtschaftszweig liberalisiert, als Politikfeld unterrepräsentiert.

Man darf in der Tat gespannt sein, wer hier den ersten Stein wirft. Gilt es doch, wenn von Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Tourismus die Rede ist, nicht nur den Reisenden weiterhin einen schönen Urlaub in erholsamer Umwelt zu ermöglichen, sondern künftig auch den Menschen in den Gastländern eine würdige Existenz zu garantieren. Denn, sie sind es in erster Linie, die die Tourismuserschließungen mitzutragen haben. Das heißt auch, daß sie zu Mitakteuren des Wandels gemacht werden müssen, eines Wandels, den bislang vor allem internationale Ketten und Konzerne bestimmen.

Wie würden wohl die Menschen aus Südostasien, die heute unter den Auswirkungen der Strukturanpassungen zu leiden haben, eine würdige Existenz skizzieren? Mit oder ohne Tourismus? Und wer wagt es, nicht allein die nationalen Regierungen, sondern die internationalen Finanz- und Handelsgremien, IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation, welche letztlich die Entscheidungsmacht über die Rahmenbedingungen des weltweiten Tourismus innehaben, zu einer neuen Tourismuspolitik herauszufordern? Nur sie können den immer mächtiger werdenden transnationalen Tourismuskonzernen verbindliche Leitplanken für eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Tourismusentwicklung setzen. Christine Plüss

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