: Der Trend geht zum Doppelpaß – auch in Schweden
■ Im Jahr 2001 soll das Einzelpaßprinzip verschwinden. 60.000 Anträge erwartet
Stockholm (taz) – Schweden will den Doppelpaß akzeptieren und gleichzeitig für Kinder und Jugendliche den Zugang zur schwedischen Staatsangehörigkeit erleichtern. Das sind die Grundzüge eines Reformgesetzes, das ab 1. Juli 2001 gelten soll.
Schweden hat bereits jetzt ein relativ liberales Staatsbürgerschaftsrecht, das die Möglichkeit einer Einbürgerung nach 5jährigem rechtmäßigem Aufenthalt vorsieht. Es stammt – weit vom Blut- und Bodenprinzip des deutschen Rechts entfernt – aus dem Jahre 1950 und war zuletzt 1969 reformiert worden. Die Regierung hält es für änderungsbedürftig, da das bisherige Prinzip einer einzigen Staatsangehörigkeit und damit die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft sich als Hindernis für viele EinwanderInnen erwiesen hatte, den schwedischen Paß zu beantragen.
Der Grundsatz einer einzigen Staatsangehörigkeit war schon in den letzten Jahren aufgrund einer großzügigen Handhabung von Ausnahmeregelungen aufgeweicht worden. Mittlerweile leben in Schweden mit seinen 8 Millionen Einwohnern 300.000 Menschen mit Doppelpaß. Eine endgültige Aufhebung des Einzelpaßprinzips würde nach Schätzungen der Reformkommission weitere 60.000 veranlassen, die Staatsangehörigkeit zu beantragen.
Aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips würde die Reform gleichzeitig über 100.000 im Ausland lebenden SchwedInnen ermöglichen, bei Aufnahme einer neuen Staatsbürgerschaft ihren schwedischen Paß zu behalten.
Alle SchwedInnen, die aufgrund der bisherigen Bestimmungen gezwungen waren, im Ausland ihre schwedische Staatsbürgerschaft aufzugeben, sollen die Möglichkeit haben, diese zurückzubekommen, wenn sie diese binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesreform beantragen. Weiterhin sollen in Schweden geborene oder mit ihren Eltern ins Land gekommene Kinder und Jugendliche ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Eltern beinahe automatisch einen schwedischen Paß erhalten können, wenn sie 18 Jahre alt werden und den Antrag vor diesem Geburtstag gestellt haben. Auch für die Altersgruppe der heute 18- bis 20jährigen wird die Einbürgerung erleichtert.
In der öffentlichen Debatte waren gegen den Doppelpaß vor allem Probleme mit möglichem doppeltem Wahlrecht und doppelter Wehrpflicht und auch die „Loyalität“ zu zwei Ländern ins Feld geführt worden. Die Kommission hält diese Probleme für lösbar: „Der Vorteil, in zwei Ländern wohnen und arbeiten zu können wiegt schwerer als mögliche Nachteile“, erklärte Kommissionsvorsitzende Britt Olausson bei der Präsentation des Entwurfes: Auch der internationale Trend gehe in Richtung doppelter Staatsangehörigkeit. Die Integration in die schwedische Gesellschaft könne durch den Doppelpaß erleichtert werden, denn „dadurch können die Menschen den Kontakt mit ihrer alten Heimat auf ganz andere Weise aufrechterhalten, als ohne. „Sie werden sich“, so Britt Olausson, „geborgener und sicherer fühlen und sich damit auch bei uns besser zurechtfinden können.“ Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen