: Wer stoppt die blauen Teufel?
American Pie: Die Collegemeisterschaften im Basketball liefern auch dieses Jahr eine Menge Sensationen, nur die „Blue Devils“ aus Duke scheinen unantastbar ■ Von Jens Plassmann
They caught the last train for the coast
Am Anfang stand die Überdosis. 48 Spiele in vier Tagen. Taktisches Vorrundengeplänkel ausgeschlossen. Das K.o.-System regiert. Put up or shut up. Darin liegt der Hauptreiz der „March Madness“, und das macht die Endrunde der Collegemeisterschaft im Basketball alljährlich zu einer der bedeutendsten Veranstaltungen im amerikanischen Sportkalender.
Nach dem Marathon der ersten beiden Runden hat sich das 64er- Feld auf die „Sweet Sixteen“ reduziert, die ab morgen in zwei Runden die prestigeträchtigen und lukrativen Startplätze für das Final- Four-Turnier am 27./29. März in St. Petersburg unter sich ausmachen. Für die NCAA, die das Spektakel organisiert, sind die Aussichten in diesem Jahr so rosig wie selten. Zwar verlassen zum Ärger des akademischen Milliardenunternehmens weiterhin viele der Collegestars – wie Vince Carter, Allen Iverson oder Stephon Marbury – vorzeitig den Campus in Richtung NBA oder überspringen die Ausbildungsphase mit Amateurstatus gleich völlig – wie Kobe Bryant oder Kevin Garnett. Aber durch den Ausfall der halben NBA-Saison, dem damit verbundenen Fanverdruß und nicht zuletzt dem Abgang von Quotengarant Michael Jordan eröffnet sich für die Collegewelt die Chance, das Rampenlicht endlich wieder ganz auf den „Big Dance“ gerichtet zu sehen.
Wenn sich bloß die Hoopster von der Uni nicht so schwer täten. Der fortwährende Aderlaß an Talenten geht auch an den renommiertesten Teams nicht spurlos vorbei, und selbst Collegegiganten wie North Carolina, Kansas und Titelverteidiger Kentucky kämpften sich in diesem Jahr mühevoll durch die Saison. So überrascht es wenig, daß das Turnier entsprechend seiner reichen Tradition an „Cinderella-Teams“ schon zu Beginn eine Reihe von prominenten Ausfällen erlebte. Zu den vorzeitigen Heimkehrern zählen unter anderem Kansas, Indiana, Arizona, Stanford, Vorjahresfinalist Utah, Rekordmeister UCLA, und auch die „Tar Heels“ aus North Carolina, die zum erstenmal seit über 20 Jahren in der ersten Runde ausschieden. Stolperstein für das Team um den Ex-Berliner Ademola Okulaja wurden die Nobodies von Weber State.
Schade insbesondere für Okulaja, der das Team in seiner Abschiedssaison in Punkten (13,8), Rebounds (8,5), Steals (1,3) und Dreipunkte-Würfen (43,1 Prozent) anführte und bis dahin überraschend erfolgreich seine neue Rolle als „The Man“ in der jungen Mannschaft erfüllt hatte. Der Oberguru der Kommentatorenszene Dick Vitale sang bereits Lobeshymnen auf Okulaja, und NBA-All-Star-Center Brad Daugherty wagte die Prognose, daß dem jungen Deutschen ein Platz in der NBA, wenn auch nicht in der ersten Garde, sicher wäre. Hilfreich könnte dabei sein, daß der neue NBA-Tarifvertrag altgediente Bankspieler mit einem Mindestjahressalär von einer Million Dollar sehr teuer werden läßt. Doch auch wenn sein letzter Auftritt weniger überzeugend verlief, und es ihm nicht gelang, als direkter Gegenspieler die Galavorstellung von Harold „The Show“ Arceneaux (36 Punkte) zu verhindern, dürfte Okulaja trotzdem die Qual der Wahl bleiben, ob er sich unter den Besten der Besten im Profilager durchzubeißen versucht oder in Europa Kasse macht.
Das NCAA-Tournament wird jedoch weiter von der Frage beherrscht: Wer soll Duke, das einzige konstant hochklassige Team dieser Saison stoppen? Mit einer Saisonbilanz von 32:1 Siegen gingen die „Blue Devils“ in das Turnier und fertigten ihre Gegner in den ersten beiden Runden mit jeweils 40 Punkten Differenz ab. Mit ihrem spritzigen, ideenreichen und mittlerweile auch korbgefährlichen Point Guard William Avery, dem ausgebufften Scharfschützen Trajan Langdon, genannt „The Alaskan Assassin“, dem bärenstarken und gewandten Center Elton Brand und einem spektakulären Trio, bestehend aus Shane Battier, Chris Carrawell und dem kommenden Superstar Corey Maggette, wirken sie derzeit unüberwindbar.
Gefahr droht den Dukies am ehesten noch von Connecticut (mit NBA-Hoffnung Richard Hamilton), Magic Johnsons Alma mater Michigan State (angetrieben vom exquisiten Point Guard Mateen Cleaves), Maryland und den immer besser in Schwung kommenden Champs aus Kentucky, die am Sonntag Kansas nach Verlängerung mit 92:88 schlugen. Sehenswert auch der Favoritenschreck aus Miami (Ohio) um Korbjäger Wally „World“ Szczerbiak (67 Punkte in zwei Spielen).
Hoffnung können die 15 verbliebenen Duke-Verfolger aus dem Beispiel der legendären UNLV-Truppe um Larry Johnson, Greg Anthony und Stacey Augmon von 1991 ziehen. Die galt ebenfalls als unbesiegbar und verlor völlig überraschend im Halbfinale gegen den späteren Champion aus... genau: Duke.
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