■ Mit dem Welthandel auf du und du
: Öko als Hilfe

Berlin (taz) – Auf einem Symposium der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf zum Thema „Handel und Umwelt“ in Genf sind die Industriestaaten und die Entwicklungsländer mit unterschiedlichen Einschätzungen zu stärkerem Umweltschutz im Welthandel aneinandergeraten. EU-Handelskommissar Leon Brittan forderte die Einführung einer Art Öko-Label. Damit sollen Waren ausgezeichnet werden, die umweltfreundliche Materialien enthalten und zusätzlich mit ökologisch verträglichen Produktionsmethoden hergestellt werden. „Es gilt ein neues Gleichgewicht zwischen den Bereichen des Wirtschaftswachstums, des Umweltschutzes und der Entwicklung zu schaffen“, sagte Brittan.

Der indische WTO-Botschafter Srinivasan Narayanan hingegen befürchtet, daß die Entwicklungsländer mit den Umweltauflagen aus dem Welthandel gedrängt werden sollen. Narayanan sprach von einem „grünen Protektionismus“ der Industrieländer. Die Dritte Welt könne die ökologischen Auflagen an die Herstellungsprozesse nicht erfüllen und den Anforderungen eines Öko-Labels nicht standhalten. Narayanan forderte die Industriestaaten auf, ihre Technik den Entwicklungsländern zukommen zu lassen und so ihre die Position im Welthandel zu stärken.

Regierungsunabhängige Organisationen wie der World Wide Fund for Nature (WWF) unterstützen die Entwicklungsländer. Charles Arden-Clarke, WWF-Direktor für Handel und Investitionen, verlangte, die WTO solle zu Fragen der nachhaltigen Entwicklung stärker die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (Unep) einbeziehen. Denn hinter dem Engagement der WTO für ökologische Aspekte verberge sich eine neue Form des Protektionismus.

Auch im Verhältnis zwischen den Welthandelsmächten drohen Plädoyers für die Umwelt als Vorwand für Handelshemmnisse mißbraucht zu werden. US-Präsident Clinton schickte eine Grußadresse, in der er sich aus Umweltschutzgründen für den Abbau von Subventionen in der Landwirtschaft und in der Fischerei aussprach. EU-Kommissar Brittan will eventuell umweltschädigende Lebensmittel auch dann vom europäischen Markt fernhalten, wenn die Gefahren noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen sind. Den Schlagabtausch mit ökologischen Argumenten haben sich die WTO-Delegierten übrigens geliefert, um die WTO-Ministerkonferenz im Dezember in Seattle vorzubereiten: Dann steht die heikle Frage der weltweiten Agrarliberalisierung auf der Tagesordnung. Britta Symma