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Genies mit Student

■ Das Eric Watson Trio zeigte im gut besuchten KITO beeindruckendes Konzert

Der Älteste kam zuerst auf die Bühne. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, und vom Hals abwärts baumelte eine neckisch-bunte Krawatte: Ed Thigpen, drums. Es folgte der Typ, der in der WG immer im Zimmer nebenan wohnte, nie das Klo geputzt hat und sich auch im 26. Semester Ökotrophologie noch fleißig auf die in anderthalb Jahren bevorstehende Vordiplomsprüfung vorbereitet: Mark Dresser, contrabass. Zu guter Letzt nahte der Gesichtsjüngste. Smart, ausgesprochen höflich und von jener eigentümlichen Aura umgeben, die nur Menschen verströmen, die tagaus und -ein hochkomplexe Fragen in ihrem Kopf herumwälzen, bis sie eines Tages nach Stockholm gezerrt werden, wo sie der staunenden Welt als Nobelpreisträger für Mathematik vorgestellt werden: Eric Watson, piano.

Kaum auf der Bühne des KITO, gaben sie sich aber schnell als „Eric Watson Trio“ zu erkennen und ließen in den folgenden äußerst unterhaltsamen zwei Stunden keine Zweifel an ihrer wahren Profession aufkommen – Jazzmusiker. Schon das Auftaktstück „Fling“ deutete die Richtung an, die das Trio, getrieben von Ed Thigpens schnörkelloser Arbeit am Schlagzeug, während des gesamten Konzerts nicht mehr verlassen sollte: keine ausgefallenen Experimente, stattdessen wechselten locker swingende und lyrisch-verspielte Passagen einander ab und boten dem Drummer und insbesondere dem Pianisten ausreichend Gelegenheit, sich als virtuose Solisten zu profilieren.

Ed Thigpen – ach Gott, wäre ich da schon auf der Welt gewesen, gern hätte ich ihm zu Füßen gelegen, als er in der ersten Hälfte der 60er Jahre an der Seite von Ray Brown und Oscar Peterson das legendäre Oscar Peterson Trio bildete und dabei Meilensteine wie die LP „Night Train“ einspielte. Dieser Legende bei der Arbeit zusehen zu dürfen, ist ein Genuß. Wo andere ihre Einfallslosigkeit durch besonders heftige Schläge auf ihr Musikinstrument zu vertuschen suchen, vertraut der knapp 70jährige auf sein ruhiges, fast zurückhaltendes Spiel. Zumeist rührte der Jazztraditionalist, die Lippen gespitzt, mit wenigen Besenstrichen auf der Snaredrum, einigen behutsamen Tupfern auf die Becken oder kaum sichtbaren nervösen Zuckungen über der Trommel einen Bebop-rhythmus zusammen, der den beiden Sets des Trios das rhythmische Korsett verlieh.

Eric Watson hingegen gehört zu jener Generation an jungen Instrumentalisten, die dem Zuschauer den Atem rauben durch die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihrem Instrument schlichtweg alles entlocken, was ihnen an Harmonieungetümen in den Sinn kommt. Wilde Glissandi, energische Klanggewitter und ebenso hochkomplexe wie halsbrecherische Soli schüttelte der Amerikaner nach Lust und Laune aus dem Ärmel, und erwies sich trotz dieser solistischen Begabungen immer wieder als einfühlsamer Mannschaftspieler, wie sie Oskar Lafontaine in Bonn sicherlich gern an seiner Seite gehabt hätte.

Einzig Bassist Mark Dresser fiel im Vergleich zu den Kollegen ab. Als Triospieler nicht weiter auffällig, offenbarte er als Einzelspieler doch einige Schwächen. Ohne Ideen entlockte er während seiner wenigen Soli dem Bass einige müde Läufe und stieß dabei seltsame Laute aus. All das verschmolz auch dadurch nicht zu einem homogenen Ganzen, daß er zuweilen wie Pete Townsend den Arm durch die Luft wirbelte, ehe er krachend auf den Saiten landete. Mag sein, daß der ansonsten in New Yorker Avantgardistenkreisen beheimatete Bassist sich letztlich doch auf fremden Terrain bewegte. Oder aber, wer weiß das schon, vielleicht hatte sich versehentlich doch der Ökotrophologe im 26. Semester auf die Bühne verirrt. Franco Zotta

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