piwik no script img

„I'm a kind of Pechvogel und Clown“

Basketballprofi Jens-Uwe Gordon war Tokio zu groß und Spanien zu cannabisfeindlich. Am Fuße des Bamberger Doms darf der Reboundspezialist wieder Provinzfürst sein  ■ Von Holger Ströbel

Bamberg (taz) – Von Stars muß man gar nicht reden. Wenn, dann vielleicht von Charakteren. Oder zumindest von Profis, die ihre Rollen gut beherrschen. „Basketball“, sagt Jens-Uwe Gordon, „lebt von ihnen.“ Natürlich ist Rhöndorf nicht Chicago, aber daß die deutsche Bundesliga seit Jahren ein wenig vor sich hindümpelt, mag auch daran liegen, daß ihr die Typen fehlen. Gordon selbst ist eine Ausnahme, und das weiß er. „Ich bin ein bißchen ein Clown“, urteilt der Flügelspieler und derzeit zweitbeste Rebounder der Liga über sich. Die ganze Wahrheit ist das nicht.

Jens-Uwe Gordon (31) könnte tatsächlich ein Großer des deutschen Basketballs sein. Einer, dessen Pirouetten die Kids beim Streetball nachahmen. So weit ist es jedoch nie gekommen, und es ist kein Wunder, daß „Pechvogel“ und „Schicksal“ zwei der wenigen deutschen Worte sind, die ihm locker von den Lippen gehen.

Von 1993 bis 1997 war Gordon beim TTL Bamberg Kopf der Mannschaft und Publikumsliebling. Zuletzt ist damals die halbe Liga hinter ihm hergewesen, Gordon nahm aber lieber ein Angebot aus dem spanischen Malaga an, durchlebte dort „die schwärzeste Zeit“ seines Lebens, wurde zu Villeurbanne nach Frankreich abgeschoben und kehrte im letzten Sommer reumütig nach Bamberg zurück – wo er noch lange nicht wieder der Alte ist.

Er hat zwar sein Trikot mit der Nummer 4 zurück, schreitet wie gehabt bei der Spielervorstellung wie ein Hohepriester in die Halle, macht seine Späßchen mit Spielern, Schiedsrichtern und Publikum, aber: „Ihm fehlt einfach noch die Praxis, er hat ja über ein Jahr lang kaum gespielt“, sagt Bambergs Manager Hans Herbst, der ihn zurückgeholt hat.

Da klingt es fast ein wenig trotzig, wenn Gordon sagt, daß er in diesem Jahr „verdammt noch mal endlich etwas gewinnen möchte“. Na ja, zumindest ins Finale kommen. Zunächst müßte sein Team da aber die erste Play-off-Runde gegen die SG Braunschweig überstehen, die morgen beginnt. Und dann wartet im Viertelfinale bereits der Titelverteidiger. Na ja, Alba Berlin, brummt Gordon. Schon gut. Aber in dieser Saison sei auch bewiesen worden, daß man die scheinbar Unbezwingbaren durchaus schlagen könne – siehe Rhöndorf, siehe Würzburg.

Es sind die ersten Play-off- Spiele, die Jens-Uwe Gordon für Bamberg bestreiten wird. Stets hatte er in seinen Bamberger Jahren gute bis großartige Runden gespielt, um sich kurz vor dem wirklich wichtigen Part der Saison zu verletzen. „I'm a kind of Pechvogel“, sagt Gordon. Er weiß auch nicht, an wem oder was das liegt. Letzte Folge der traurigen Serie: Beim Final Four in Frankfurt mußte Gordon bereits nach wenigen Minuten im Halbfinale gegen Gießen aufgeben – zunächst wurde ein profaner Hexenschuß diagnostiziert, inzwischen tippt man auf Abnutzungen an der Wirbelsäule. Heilungsprozeß: ungewiß. Die favorisierten Bamberger gingen ohne Gordon, wie bereits in den Jahren zuvor, klanglos unter.

So ist das bei Gordon: Stets, wenn er zum großen Sprung angesetzt hat, kam „the Schicksal“ und holte ihn wieder auf den Boden zurück. Auch bei seinem Spanien-Intermezzo. Da war das Schicksal selbstgedreht und tütenförmig. Gordon, der noch an einem Fußbruch aus der Saison in Bamberg laborierte, hatte es in Malaga zunächst schwer. Er war nicht mehr die Nummer eins auf dem Court, sondern saß meist auf der Bank. Als ihm bei einer Doping-Probe auch noch Marihuanareste im Körper nachgewiesen wurden, war der Traum vom Karrieresprung vorbei. Die Villa am Strand, die Mittelmeersonne und der gutdotierte Vertrag waren dahin, beim Europaligateam ASVEL Villeurbanne schaffte er – mitten in der Saison – den Sprung in das bereits eingespielte Team nicht mehr.

Was also lag näher, als nach einem „Jahr der Frustration“ (Gordon) dorthin zurückzukehren, wo man ihm nach wie vor manche Träne nachweinte und die Lokalzeitung regelmäßig über seine europäische Odyssee berichtete? Coach Ken Scalabroni und Manager Herbst erwarteten ihn mit offenen Armen, das Bamberger Publikum sowieso, und auch Gordon selbst fühlt sich mittlerweile wieder richtig wohl. Die kleine Stadt in Oberfranken sei seine zweite Heimat geworden – und wenn schon in Deutschland, und nicht zu Hause in Kalifornien, dann hier.

„Strange“ findet es Gordon schon, daß er ausgerechnet in Bamberg hängengeblieben ist. Als klassisches Besatzerkind (deutsche Mutter, US-amerikanischer Vater), ist er in Salinas, südlich von San Francisco, aufgewachsen. Eigentlich wollte er nach dem College Soldat werden wie sein Vater. Sein Talent kam ihm in die Quere, über Tokio führte ihn sein Weg zunächst nach Frankreich, ehe ihn dort 1993 ein Angebot aus Bamberg erreichte. „Es war damals nach einer verkorksten Saison die einzige Chance“, sagt Gordon. So betrat er 25jährig erstmals das Land seiner Mutter, lernte seinen Halbbruder kennen, der in Baden- Württemberg wohnt, und in Bamberg schließlich auch seine Frau.

Hier wohnt er am Fuß des Doms und führt das Leben eines Provinzfürsten. Tokio war ihm damals schon zu groß, Berlin wäre es ihm heute. Wenn er in Bamberg nach dem Training durch die Bars streift, gehört die Aufmerksamkeit ihm, seiner stets akkurat rasierten Glatze und seinen regelmäßig wechselnden Bartkonstruktionen. Er sei halt eine sehr offene Persönlichkeit, sagt Gordon, und feiere für sein Leben gern. Wenn es dann am nächsten Tage heiße, Jens- Uwe habe wieder mal auf dem Tisch getanzt – „so what“? Wer ihn kenne, wisse, daß er damit umgehen könne. Schließlich weiß er seit seiner Marihuanageschichte, wie schnell ein Ruf zerstört sein kann. Diesen Ruf wird er wohl auch nicht mehr los, und das, sagt er, sei ihm mittlerweile auch egal. Nur den des Pechvogels möchte er schon gerne revidieren. Am besten noch in dieser Saison.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen