Das Portrait: Der Mann mit dem eisernen Gesicht
■ Un-Yong Kim
„Eine Menge Munition“ habe er aufzubieten, sagte Un-Yong Kim vor der IOC- Vollversammlung in Lausanne. Daß er auch Handgreiflichkeiten keineswegs abgeneigt ist, stellte der 67jährige Südkoreaner vor Ort unter Beweis. Als ihn IOC-Generaldirektor François Carrard am Besuch einer Exekutivsitzung hindern wollte, kam es zu einer Rangelei, bei der sich Kim in eine kämpferische Taekwondo- Pose begab. Sein gutes Recht, sollte man meinen, schließlich ist er Vorsitzender des Taekwondo-Weltverbandes. Sein gutes Recht sei auch der Besuch der Exekutivsitzung, fand Kim, denn er ist Mitglied dieses Gremiums. Nur dumm, daß der einstige Geheimdienstler im Sold der südkoreanischen Militärdiktatur auch einer der Hauptbelasteten im Bestechungsskandal um die Olympiavergabe und deshalb inzwischen persona non grata bei seinen alten Kumpanen vom IOC ist.
Am Ende zählte Kim, lange Zeit als potentieller Nachfolger des Präsidenten Juan Antonio Samaranch gehandelt, nicht zu jenen Mitgliedern, die ausgeschlossen wurden, sondern erhielt nur einen „sehr strengen Verweis“. Zwar betont IOC-Vizepräsident Richard Pound, der als erbittertster Feind des Kampfsportlers aus Asien gilt, daß die Ermittlungen gegen Kim keineswegs abgeschlossen seien, doch es war offensichtlich, daß er vor Kims „Munition“ kuschte.
Anders war kaum zu erklären, daß die Vollversammlung zwar Paul Wallwork aus Samoa ausschloß, weil sich dessen getrennt lebende Frau in Salt Lake City einen Kredit von 30.000 Dollar besorgte, nicht aber Kim. Dessen Sohn John hatte rund 100.000 Dollar für einen vom Bewerbungskomitee in Salt Lake City finanzierten Scheinjob kassiert. Zudem hatte Kim ein 15.000-Dollar- Stipendium für eine Russin vermittelt, zufällig Tochter des Musikverlegers, der eine CD von Kims klavierspielender Tochter herausbrachte. Ein Gefallen für das russische IOC-Mitglied Smirnow, behauptet Kim, doch der weiß von nichts.
Un-Yong Kim hatte früh deutlich gemacht, daß er einen Ausschluß nicht hinnehmen und notfalls „auspacken“ würde. Grund genug für die IOC-Oberen, ihn nicht zu sehr zu reizen. „Unser Freund Un-Yong Kim kriegt immer, was er haben möchte“, hat sein Förderer Samaranch einmal gesagt. IOC-Präsident wird der Koreaner mit dem eingravierten Gesichtsausdruck aber wohl doch nicht mehr werden. Matti Lieske
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