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Massaker vor Schützengräben

Der Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien wird blutiger. Nach äthiopischer Offensive meldet Eritrea 10.000 getötete Feinde. Äthiopien spricht von „Inszenierung“  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Der andauernde Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea entwickelt sich zu einem Massenschlachten. Das Kampfgeschehen ähnelt dem des Ersten Weltkriegs 1914–18, mit einem gigantischen Verschleiß von Menschen beim Versuch, Schützengräben zu stürmen.

Mindestens 10.000 äthiopische Soldaten seien diese Woche allein im fünf Kilometer breiten Frontbereich Tsorona getötet worden, erklärte gestern Eritreas Außenministerium. Ein Gebiet von etwa 30 Quadratkilometern sei mit Leichen übersät. Die äthiopischen Einheiten seien drei Kilometer weit unter schwerem Beschuß auf eritreische Schützengräben zugestürmt und vor Erreichen ihres Ziels niedergemäht wurden.

Ausländische Korrespondenten, die das Gebiet besuchen durften, zählten in einem 200 Meter breiten Frontbereich mindestens 300 Tote. Äthiopiens Regierung nannte diese Berichte eine „Inszenierung“. Von äthiopischer Seite werden aber seit einiger Zeit schon keine größeren militärischen Erfolge gemeldet. Äthiopien hatte am 14. März eine neue Offensive gestartet, nachdem es zwischen dem 23. und 26. Februar bereits einen entscheidenden Sieg über Eritrea in dem Gebiet errungen hatte. Damals hatte Eritrea nach seiner schweren Niederlage endlich den internationalen Friedensplan zur Lösung des Grenzkriegs akzeptiert. Doch mit den neuen Kämpfen ist diese Entwicklung überholt.

Der im Mai 1998 ausgebrochene Konflikt um die Kontrolle einiger umstrittener Wüstengebiete, der zum Hahnenkampf zweier Regierungen um die Vorherrschaft geworden ist, dient nun beiden Seiten zur propagandistischen Mobilmachung. Unabhängige Beobachter äußerten nach Beginn der neuen Kämpfe die Befürchtung, es gehe Äthiopien jetzt um den Sturz der eritreischen Regierung. Nun scheint die äthiopische Offensive vorerst gestoppt. Aber wenn auch nur ein Bruchteil der Siegesmeldungen beider Seiten der letzten Wochen stimmt, verlieren Äthiopien und Eritrea allmählich eine ganze Generation in den Schützengräben der Hochlandwüste an ihrer gemeinsamen Grenze.

Beunruhigenderweise hat Äthiopiens Vizeaußenminister Tekeda den USA vorgeworfen, im Krieg für Eritrea Partei zu nehmen. Angesichts der Tatsache, daß sich in letzter Zeit Frankreich auffällig um Äthiopiens Freundschaft bemüht hat und daß die USA und Frankreich aus afrikanischer Sicht als Führer zweier feindlicher Staatenbündnisse in Afrika gelten, ist eine solche Äußerung gefährlich. Der äthiopisch-eritreische Krieg droht in Verbindung mit den anderen internationalen Konflikten Afrikas zu geraten.

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