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Behindertengesetz verzögert sich

■ Senat fordert Veränderungen im Entwurf für Landesgleichberechtigungsgesetz, CDU will Verabschiedung im Hauptausschuß verschieben, Verbände befürchten Verwässerung

Vor dem Gebäude von Bausenator Jürgen Klemann (CDU) am Fehrbelliner Platz haben gestern die Behindertenverbände protestiert. Denn ihrer Ansicht nach ist Klemann einer der Hauptbremser in Sachen Landesgleichberechtigungsgesetz für Behinderte.

„Es sieht so aus, als wird das Gesetz in dieser Woche wieder nicht verabschiedet“, begründete Martin Marquard vom Berliner Behindertenverband den Protest. Klemann hatte – wie auch die IHK und die Verbände der Wohnungsunternehmer und Grundbesitzer – in einem Brief an den Hauptausschuß des Abgeordenetenhauses gegen die Verabschiedung des Gesetzes Position bezogen. Es sei wirtschaftsfeindlich, so die Begründung.

Nachbesserungsbedarf sieht auch der Senat. In einer umfangreichen Stellungnahme, die der Senat gestern vorlegte, fordert er vor allem präzisere Formulierungen im Gesetzestext. Bei der jetzt vorliegenden Fassung, so erfuhr die taz aus Senatskreisen, könnten auf das Land Zahlungen in Milliardenhöhe zukommen. Die Begründung: Zu häufig seien durch unklare Formulierungen individuelle Rechtsansprüche einklagbar. Zum Beispiel beim öffentlichen Personennahverkehr müsse klargestellt werden, daß die BVG nicht alle Bahnen und Bahnhöfe umrüsten, sondern bei Neuanschaffungen auf behindertengerechte Bauweise achten müsse. Folgt das Parlament den Empfehlungen des Senats, sei von Folgekosten in Höhe von rund 40 Millionen Mark auszugehen. Weitere Details über die Empfehlungen des Senats waren gestern nicht zu erfahren.

Weil nun eine Einschätzung des Senats über die Folgekosten vorliegt, könnte sich eigentlich der Hauptauschuß des Parlaments in seiner heutigen Sitzung mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Dies ist die letzte Hürde vor der Verabschiedung im Parlament. Doch die CDU will den Gesetzentwurf noch einmal vertagen. „Wir müssen die Senatseinschätzung beraten und mit den Behindertenverbänden besprechen“, so CDU-Gesundheitspolitiker Christian Zippel. Die SPD dagegen will das Gesetz heute behandeln. Ob sie sich aber gegen ihren Koalitionspartner stellen wird, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Die Behindertenverbände und die Opposition befürchten nun nicht nur eine weitere Verschleppung, sondern auch eine Verwässerung des Gesetzestextes. Dabei hatte es nach dem Beschluß desSozialausschusses so gut ausgesehen: Die SozialpolitikerInnen aus CDU und SPD hatten in letzter Minute zahlreiche Kritikpunkte der Behindertenverbände in ihren Gesetzentwurf aufgenommen. Zwei Knackpunkte dabei waren ein einklagbares Diskriminierungsverbot und ein Verbandsklagerecht, das den Behindertenorganisationen in bestimmten Fällen ermöglicht, juristisch gegen Mißstände vorzugehen. Genau diese Punkte könnten nun wieder zur Disposition stehen. Sabine am Orde

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