Die Schere öffnet sich weiter

„Völlig fixiert auf das Geld“: Der Fußball wird in Afrika zunehmend professioneller organisiert und vermarktet. Doch nur absolute Spitzenklubs profitieren von der Entwicklung  ■ Von Hardy Grüne

Staub wirbelt auf. Der unebene Boden, auf dem kaum ein Grashalm zu sehen ist, läßt den Ball immer wieder verspringen. Die Spieler von African Sport of Tanga und Ndovu of Arusha haben es nicht leicht, sich auf ihr in wenigen Minuten beginnendes Fußballspiel vorzubereiten. Regelmäßig müssen sie ihre Aufwärmübungen unterbrechen, weil der einzige Zugang zur Sitzplatztribüne mitten über den „Nebenplatz“ führt, auf dem sie sich aufwärmen. Die beiden Klubs kicken in der höchsten Spielklasse Tansanias, aber vom Boom im afrikanischen Fußball haben sie nichts abbekommen.

ASEC Abidjan ist der zur Zeit erfolgreichste Klub Afrikas. Nach dem Gewinn der Champions League sicherte sich das Team von der Elfenbeinküste kürzlich mit einem 3:1-Sieg über den kontinentalen Pokalsieger Espérance Tunis auch den Supercup. Zugleich ist der Weg der Association Sportive des Employés de Commerce d'Abidjan (ASEC) exemplarisches Beispiel für die immensen Veränderungen im afrikanischen Fußball: ASEC besitzt seit 1994 eine von dem Franzosen Jean-Marc Guillou initiierte Jugendschule, hat mit Siby Badra Aliou den Fußballer des Jahres 1998 der Elfenbeinküste in seinen Reihen und verfügt über ein vergleichsweise modernes Management.

Ähnlich wie in Europa hat Spitzenfußball seit kurzem auch in Afrika mehr mit Geld als mit sportlichen Meriten zu tun. Das Zauberwort heißt Kommerzialisierung. Seit 1964 gibt es einen African Cup of Champions Clubs genannten Wettbewerb, bei dem die Landesmeister den afrikanischen Kontinentalmeister ermitteln; vergleichbar also der Champions League. Im Unterschied zu Europa hatte sich in Afrika allerdings jahrzehntelang kaum jemand ernsthaft für den Wettbewerb interessiert. Siegprämien oder gar Startgelder gab es nicht, und so war die Teilnahme einerseits für die Vertreter der reicheren Länder uninteressant, und andererseits für Klubs aus ärmeren Nationen kaum zu finanzieren. Konsequenz war, daß die Teams aus den vergleichsweise wohlhabenden nordafrikanischen Ländern häufig nur die zweite Garnitur schickten, während sich Teilnehmer aus dem ärmeren Schwarzafrika wiederholt aus dem laufenden Wettbewerb zurückziehen mußten, weil sie die Reisekosten nicht bezahlen konnten.

Seit 1997 ist das anders. In jenem Jahr erwarb die französische Mediengruppe Mediafoot, deren Besitzer Jean Claude Darmon ist, die TV-Rechte an dem Wettbewerb (siehe Kasten). Die Mediafoot-Gelder stellten Afrikas Vereinsfußball völlig auf den Kopf – und veränderten das Bewußtsein von Spielern und Funktionären. Seitdem ist, wie es der Journalist Alan Sharif Duncan jüngst im African Soccer Magazine ausdrückte, „Afrika wie Europa, völlig fixiert auf das Geld“. Allerdings: „Zumindest kann man sagen, daß sie es wirklich brauchen.“

In der Tat: Geld ist immer noch knapp. Hilflos müssen die Klubs seit Jahren zuschauen, wie sie personell ausbluten. Jeder halbwegs gute Fußballer nutzt die erste sich bietende Chance zu einem Wechsel nach Europa und nimmt dabei sogar in Kauf, von der ersten Liga Simbabwes oder Ghanas in die vierte Liga Deutschlands oder die fünfte Englands „abzusteigen“, weil es selbst dort noch deutlich mehr zu verdienen gibt. „Ich denke, wir brauchen eine Altersbeschränkung“, warnt Kameruns einstiger WM-Held Roger Milla, denn „wir brauchen talentierte Jungspieler, die in den Ligen spielen, wenn wir den heimischen Fußball in Afrika wachsen lassen wollen.“ Mit Hilfe der Mediafoot-Gelder haben nun zumindest die Spitzenteams die Möglichkeit, den Exodus etwas abzubremsen und selber starke Teams aufzubauen. „Das Geld hat alles verändert und ist ein echte Motivation, sich anzustrengen“, sagt Abdellah Rhallam vom 1997er Champions-League- Sieger Raja Casablanca.

Ganz so rosig ist die Situation dann aber doch nicht, denn obwohl die Kommerzialisierung gerade erst begonnen hat, ist die Schere zwischen Arm und Reich schon jetzt dramatisch auseinandergegangen. Es sind nur einige wenige Spitzenklubs, die vom Boom profitieren. Nur sie verfügen über ausreichende Finanzmittel, um ihre Akteure halten zu können, und dominieren demzufolge ihre Konkurrenten, die buchstäblich am Hungertuch nagen. Zugleich hat der Ausverkauf der Stars dazu geführt, daß Zuschauerzahlen und Interesse der Sponsoren spürbar zurückgingen. Ein Teufelskreis, unter dem vor allem die „Kleinen“ zu leiden haben.

Ein weiteres Problem sind die Fußballverbände, die nicht nur schlecht organisiert sind, sondern darüber hinaus häufig von fußballfremden Politikern angeführt werden, die das Amt vornehmlich als Mittel zum Erwerb von Ruhm und Spesen verstehen. So werden die wenigen Gelder für Empfänge verpulvert, statt sie in die dringend notwendige Verbesserung der Infrastruktur zu stecken.

Seit der für Afrika ernüchternden WM 1998 hat aber ein Umdenkungsprozeß eingesetzt. Die Kritik an den Verbandsstrukturen ist lauter geworden, die Einflußnahme der Politik auf den Fußball stößt zusehends auf Widerstand. Man will sich verstärkt um Entwicklungsprojekte wie beispielsweise Jugendschulen kümmern, und auch die in den letzten Jahren zu beobachtende Praxis, den Posten des Nationaltrainers durch mitunter windige Europäer zu besetzen, ist nicht mehr unumstritten. Wenn es nach dem früheren nigerianischen Nationalspieler Segun Adegbami ginge, bräche bald das Zeitalter afrikanischer Trainer an, denn „die verstehen die Psychologie afrikanischer Spieler“.

In diesem Punkt kann Afrikameister ASEC Abidjan nicht als Vorbild herhalten. Er wird vom Argentinier Oscar Fullone trainiert. Ansonsten aber ist der Klub von der Elfenbeinküste wohl auf dem richtigen Weg: In seiner florierenden Jugendschule „Sol Béni“ leben derzeit 52 Jugendliche, und mit Sidri Badra Aliou, Guel Tschiressoua und dem Nigerianer John Zaki hat man echte Spitzenkräfte im Kader. Noch wichtiger ist, daß ASEC organisatorisch gut entwickelt und finanziell gesund ist. Damit gehört dem Klub die Zukunft, denn, um Südafrikas Nationalmannschaftskapitän Lucas Radebe zu zitieren, „Fußball ist keine Freizeitbeschäftigung mehr, es ist Big Business“.