: Große Angriffs-Koalition
■ SPD und CDU stellen sich hinter die NATO-Luftangriffe. GAL ist uneins
Die Bomben auf Jugoslawien mußten sein, lautete gestern die nahezu einhellige Meinung im Hamburger Rathaus. Grüne, rote und schwarze SpitzenpolitikerInnen stellten sich hinter die Luftschläge der NATO, mahnten aber an, man möge zügig vom Militärstützpunkt an den Verhandlungstisch zurücckehren. Dieser großen Angriffs-Koalition gegenüber stand lediglich ein gutes Dutzend linker GAL-Mitglieder und die Hamburger PDS. Sie verlangten, daß die Bombardements sofort eingestellt werden.
„Die Entscheidung der NATO war unausweichlich, um der unermeßlichen Katastrophe im Kosovo zu begegnen“, erklärte Bürgermeister Ortwin Runde (SPD). Zwar sei eine „Erzwingung des Friedens“ durch Luftangriffe „das schlechteste Mittel. Aber wir können dem Morden nicht tatenlos zusehen“.
Stimmt, findet der CDU-Vorsitzende in der Bürgerschaft, Ole von Beust. „Diktatoren darf man nicht gewähren lassen“, sagte er. Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosovic sei schließlich selbst schuld daran, daß sein Land beschossen wird, findet Unions-Landeschef Dirk Fischer. Der Angriff „ist die notwendige Konsequenz aus der Weigerung Milosevics, dem internationalen Friedensplan zuzustimmen“. Um dem serbischen Präsidenten zu zeigen, daß es so nicht weitergehe, sei es auch richtig, daß die Bundeswehr zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg bei einem Angriff dabei ist.
Das gilt jedoch nur, solange die NATO aus der Luft agiert, schränkte der Landesvorstandssprecher der GAL, Peter Schaar, ein. Der Beschluß des Bundestages, der den Einsatz von Kampfflugzeugen in Jugoslawien erlaubt, schließe nicht den Aufmarsch deutscher Bodentruppen im Kosovo ein.
Widerspruch erntete der GAL-Chef aus seiner eigenen Partei. „Es gibt unterschiedliche Einschätzungen zum Angriff der NATO“, hieß es vorsichtig in einer Pressemitteilung. Später wurden gut ein dutzend GAL-Linke, darunter mehrere Bürgerschaftsabgeordnete, deutlicher. Es sei „nicht erkennbar“, wie „eine humanitäre Katastrophe durch die Bombardements abgewendet werden solle“, heißt es in einem Appell, den unter anderem Norbert Hackbusch, Susanne Uhl und Heike Sudmann unterzeichnet haben. „Wir mißbilligen, daß unsere grünen Regierungsmitglieder durch ihre Zustimmung zur Kosovo-Politik der NATO die Grundlage für die deutsche Beteiligung geschaffen haben.“
Statt zu schießen, so die Forderung der Grünen, sollte die NATO sich lieber bemühen, Serben und Albaner wieder an einen Tisch zu bekommen. Unter neutraler Vermittlung sollen sie ein Friedensabkommen aushandeln, das von OSZE und UNO überwacht wird. Der GAL-Abgeordnete Norbert Hackbusch verfaßte zudem eine „persönliche Erklärung“: „Es ist schrecklich, die Rückschritte in die Barbarei gegenwärtig zu erleben“, heißt es darin. „Der Militärschlag ist völkerrechtlich unverantwortlich.“
Egal, welche Form von Angriff die NATO wählt: Krieg bleibt Krieg und trägt nicht zur Schaffung von Frieden bei, meint auch die Hamburger PDS. Gemeinsam mit linken Gruppen rief sie gestern zur Spontan-Demonstration auf. Rund 450 Menschen kamen am Nachmittag zum S-Bahnhof Sternschanze, um ein sofortiges Ende des Krieges zu fordern. Judith Weber
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