Malaysias Schweine müssen dran glauben

Die malaysische Armee hat begonnen, 311.000 Schweine zu erschießen, um einen für Menschen tödlichen Virus zu bekämpfen. Chinesische und malayische Malaysier streiten jetzt um Entschädigungen  ■   Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Malaysias Armee hat auch gestern wieder Tausende von Schweinen erschossen, die von einem tödlichen Virus befallen sind. Dieser wird von Mükken auf Menschen übertragen und löst die Hirnhautentzündung „Encephalitis Japonica“ aus. Seit Oktober sind bereits 61 Personen an der tückischen Krankheit gestorben. Mehrere Dörfer in einem Schweinezuchtgebiet südlich von Kuala Lumpur mußten bereits evakuiert werden. Die Soldaten sind ausgerückt, um in einer großangelegten Kampagne so schnell wie möglich 311.000 Schweine zu töten – 15 Prozent des Gesamtbestandes.

Der ursprüngliche Plan, täglich 35.000 Tiere zu erschießen, erwies sich als zu ehrgeizig: Seit Beginn der Aktion am vergangenen Samstag konnten die Militärs erst 40.800 Schweine töten. Gestern kündigte die Regierung deshalb an, die Tiere mit Kohlenmonoxid zu vergiften.

Kopfschmerzen bereitet den Behörden vor allem die Entsorgung der Kadaver, denn das tropische Klima ist unbarmherzig. Die bisher angewandte Methode, die Tiere zuerst zu töten und sie erst später einzusammeln und zu begraben, sei zu zeitraubend, hieß es in Kuala Lumpur. Statt dessen sollen die Soldaten die Schweine künftig in große Gruben treiben, sie dort umbringen und sofort mit Erde zuschütten, verkündete Landwirtschaftsminister Sulaiman Daud.

Die Schweinepest ist ein schwerer Schlag für die Landwirtschaft Malaysias. Tausende Farmarbeiter stehen mittlerweile auf der Straße, zahlreiche Bauern sind ruiniert. Nachdem Singapur und Thailand ihre Grenzen dicht gemacht haben, bleiben dringend nötige Devisen aus dem Schweineexport aus, der bislang jährlich rund 105 Millionen US-Dollar brachte. In Malaysia selbst ging der Verkauf von Schweinefleisch inzwischen um 70 Prozent zurück.

Die Seuche bringt nicht nur gesundheitliche und wirtschaftliche Sorgen. Sie erweist sich auch politisch als überaus heikel, weil sie die Beziehungen zwischen der muslimischen Bevölkerungsmehrheit der Malayen und der chinesischen Minderheit berührt. Den Malayen gelten Schweine als unrein, der Genuß ihres Fleisches ist für die Muslime tabu. Doch für die chinesischen Malaysier, die knapp 30 Prozent der Bevölkerung stellen, gehört Schweinefleisch zu den wichtigsten Zutaten eines gelungenen Mahles.

Um Ärger unter denjenigen Soldaten zu vermeiden, denen der Kontakt zu Schweinen zu widerwärtig wäre, kommandierte die Armee nur chinesisch-malaysische Uniformierte zur Massenschlachtung ab.

Die betroffenen Schweinezüchter sind ausschließlich ethnische Chinesen. Ihr Verband verlangt nun von der Regierung eine Entschädigung von umgerechnet knapp 30 Millionen Mark. Doch die Politiker in Kuala Lumpur zögern. Sie fürchten den Unmut muslimischer Wähler, die nicht einsehen wollen, warum in Zeiten der Wirtschaftskrise aus dem geschrumpften Staatssäckel ausgerechnet wegen toter Schweine soviel Geld ausgeben werden soll.