: In der Heide dürfen Militärflieger nicht üben
■ Nach jahrelangen Protesten errangen die Friedensgruppen aus Brandenburg einen Erfolg: Oberverwaltungsgericht Frankfurt verbot der Bundeswehr, Teile des Truppenübungsplatzes in der Wittstocker Heide zu nutzen
Frankfurt/Oder (dpa/taz) – Das „Lied der Heide“ hatte die Widerständler jahrelang geeint: „Vom Eise befreit sind die Bäche, die Seen und der Strom / Wann befrei'n wir die Heide vom ,Bombodrom‘? Aufgewühlt ist die Heide noch vom ,letzten Gefecht‘! Was für Ost-Granaten war billig, ist das für West-Bomben recht?“ Es ist nicht recht, entschied der 3.Senat des Oberwaltungsgerichtes (OVG) des Landes Brandenburg. Die Bundeswehr darf knapp 5.000 Hektar des rund 14.000 Hektar umfassenden Truppenübungsplatzes Wittstock nicht als Truppenübungsplatz, Boden-Luft-Schießplatz oder für Tiefflüge nutzen.
Das OVG wies mit dieser Entscheidung am Mittwoch abend eine Klage der Bundeswehr in zweiter Instanz zurück. Die Fläche von rund einem Drittel des sogenannten Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock entspricht den Flächen der Gemeinden Schweinrich und Rossow, die gegen eine militärische Nutzung geklagt hatten. Das Gericht geht mit dieser Entscheidung deutlich über das Urteil der ersten Instanz zugunsten der klagenden Gemeinden hinaus. Vor dem Verwaltungsgericht war 1996 lediglich festgestellt worden, daß die Bundeswehr die Gemeinden in ein Planungsverfahren einbeziehen müsse. Die Unterlassungsklage der Gemeinden gegen den geplanten Bombenabwurfplatz war zurückgewiesen worden.
Der 3.Senat ging in seiner Begründung davon aus, daß durch die geplante Einrichtung des Truppenübungsplatzes die Planungshoheit der Gemeinden verletzt werde. Den Gemeinden würden wesentliche Gebiete entzogen. So liege der Übungsplatz nur etwa 200 Meter von Schweinrich entfernt. Um Lärmprobleme zu vermeiden, sei aber eine Entfernung von drei Kilometern geboten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und eine Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Bundeswehr beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen. Insgesamt waren neun Berufungsverfahren zum geplanten „Bombodrom“in der Kyritz-Ruppiner Heide am Oberverwaltungsgericht anhängig. Sieben müssen noch entschieden werden.
Das Gelände war nach Ende des Zweiten Weltkriegs von sowjetischen Truppen besetzt und zum Übungsplatz vor allem für Tiefflieger mit scharfen Bomben umgewandelt worden. Die Bundeswehr übernahm nach dem Abzug der Russen 1993 das Areal. Seit 1994 üben dort Maschinen der Bundesluftwaffe Zielanflüge. Nach Angaben eines Bundeswehrsprechers waren es 1998 rund 180 Einsätze gewesen. Die festgelegte Höchstgrenze für Wittstock liege bei 3.000 Einsätzen jährlich. Zwei wesentlich kleinere Übungsgelände in Nordhorn (Niedersachsen) und Siegenburg (Bayern) sollen dadurch entlastet werden.
Bundesverteidigungsminister Scharping (SPD) hatte sich 1994 als damaliger Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf gegen die weitere militärische Nutzung des Geländes ausgesprochen.
Das „Bombodrom“ hat Gegner und Befürworter auf den Plan gerufen. Seit Jahren kämpfte die Bürgerinitiative „Freie Heide“ für eine zivile Nutzung des Geländes. Sie organisierte bisher mehr als 50 Protestwanderungen und Ostermärsche. Die BI begrüßte gestern mit „außerordentlicher Freude“ die Entscheidung des Gerichts.
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