Die Ausreise war noch das geringste Übel

■ Ausländische Journalisten werden von serbischer Armee und Polizei drangsaliert

Die niederländische Fernsehreporterin Nynke La Porte und der ungarische Kameraman Zoltan Olah vom Privatsender „Net 5“ in Amsterdam sind knapp einen Tag nach ihrer Festnahme in der serbischen Stadt Novi Sad wieder freigelassen worden. Das Team war am Donnerstag nach dem Filmen von Bombeneinschlägen in der Stadt festgenommen worden.

Nynke la Porte hatte am Tag ihrer Festnahme wie immer ihr Handy dabei. Doch als ihre Kollegen die 33jährige am Donnerstag nachmittag in Jugoslawien erreichen wollten, meldete sich eine fremde Männerstimme. Wie dann am Freitag vormittag bekannt wurde, war Nynke La Porte wegen „Verletzung der journalistischen Regeln“ festgenommen worden.

Andere Journalisten berichten von verbalen Einschüchterungsversuchen, körperlichen Bedrohungen und nächtlichen Durchsuchungsaktionen der serbischen Behörden. Bis Belgrad am Donnerstag nachmittag die Ausweisung aller Journalisten aus Nato-Mitgliedsländern verfügte, hatten sie versucht, ihnen den Aufenthalt so unerträglich wie möglich zu machen. „Selbst in Afrika habe ich solche Behandlung noch nicht erlebt“, so ein britischer Journalist.

Wie eine Sprecherin des Senders am Freitag in Amsterdam mitteilte, wurden Nynke La Porte und Zoltan Olah auf einer Polizeistation in Novi Sad nördlich von Belgrad festgehalten. In einem kurzen Gespräch habe La Porte versichert, daß es ihnen gutgehe.

Am Mittwoch und Donnerstag verließen fast alle Journalisten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA Jugoslawien. Ihre Ausreise empfanden die Medienmitarbeiter aus den Ländern, zu denen Belgrad nach eigenen Angaben die diplomatischen Beziehungen abgebrochen hat, zuletzt als das geringere Übel. Das Grand Hotel in der Kosovo-Provinzhauptstadt Priština, von wo aus die ausländische Presse über den bewaffneten Konflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern berichtet hatte, verwandelte sich schließlich zum Gefängnis. Der psychologische Druck, dem die Journalisten bereits in den vergangenen Wochen und Monaten bei ihrer Berichterstattung ausgesetzt waren, schlug spätestens dann in offenen Haß um, als in der Nacht zum Donnerstag die Nato erste Angriffe flog.

Die jugoslawische Armee, aber auch ein Großteil der serbischen Zivilbevölkerung betrachtete die Journalisten als „Komplizen“ ihrer Regierungen, die eine Beteiligung an den Kampfeinsätzen beschlossen hatten. „Wißt ihr, wie viele französische Flugzeuge uns heute nacht bombardiert haben? 43“, schleuderte der Chef einer Armeepatrouille den Journalisten des Fernsehsenders France 2 entgegen, bevor er sie vor dem Kanonenrohr eines Panzerfahrzeugs strammstehen ließ und ihnen das gedrehte Filmmaterial abnahm.

Mitarbeiter des US-Fernsehsenders CNN, der bei den Serben als Symbol für den „Triumph“ der USA gilt, zogen den meisten Haß auf sich. In der ersten Nacht der Nato-Angriffe drangen wütende Serben in ihre Unterkünfte ein und nahmen ihnen die Pässe ab. „Ich habe gedacht, sie würden uns umbringen“, sagte einer von ihnen der Nachrichtenagentur AFP.

Viele andere Journalisten bekamen ebenfalls mitten in der Nacht „Besuch“ von serbischen Sicherheitsleuten. Eine Stunde vor der offiziellen Ausweisung der ausländischen Journalisten schossen Polizisten in Zivilkleidung vor dem Grand Hotel und sogar in der Empfangshalle wild um sich.

Andere Korrespondenten mußten zusehen, wie ihre Autos demoliert wurden. Auf ein Fahrzeug, das vor dem Grand Hotel geparkt war, wurden aus einer aufgebrachten Menge heraus zunächst Schüsse abgefeuert. Anschließend versuchten einige, den Wagen in Brand zu setzen.

Bei der Ausreise über die Grenze in das benachbarte Makedonien zischten die Grenzposten den Journalisten nicht selten ein „Raus“ entgegen. Anders als bei den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die bereits in der vergangenen Woche das Kosovo verließen, wurden die Visa der Medienvertreter aber nicht ungültig gestempelt. Theoretisch könnten sie also zurückkehren. Thierry Mazure (AFP), Priština